Wein aus dem Karton? Längst nicht mehr nur Billigware!
Er ist der Inbegriff von Kopfweh, Kotzen und Kater deluxe: der Packerlwein. Aktuell liegt der Durchschnittspreis für diesen fragwürdigen Weinklassiker bei süffigen 2,50 Euro. Pro Liter, versteht sich. Dementsprechend findet sich in den professionellen Weinkellern der hochwertigen Hotellerie und Gastronomie kein derartiges Gebinde. Oder etwa doch?
Er ist der Inbegriff von Kopfweh, Kotzen und Kater deluxe: der Packerlwein. Aktuell liegt der Durchschnittspreis für diesen fragwürdigen Weinklassiker bei süffigen 2,50 Euro. Pro Liter, versteht sich. Dementsprechend findet sich in den professionellen Weinkellern der hochwertigen Hotellerie und Gastronomie kein derartiges Gebinde. Oder etwa doch?
Hartmut Aubell bewirtschaftet in der südlichsten Südsteiermark auf 9,5 Hektar das Weingut Rebenhof. Sowohl im Weingarten als auch im Keller hat er sich voll und ganz auf nachhaltigen Weinbau und auf Bio-Dynamik eingeschworen, ist Demeter-zertifiziert und sucht in jedem Detail einen Weg, möglichst CO2-neutral zu arbeiten. Und just er gehört zu jener erlesenen Schar von Top-Winzern, die derzeit hinter den Kulissen am Comeback des Packerlweins arbeiten.
Das hat seiner Rechnung zufolge einen sehr logischen Grund. Er sagt: „Ich kaufe die Flaschen, die in Italien unter dem Aufwand von vielen Ressourcen produziert werden, in Deutschland ein. Dann fülle ich sie, liefere sie ins Wirtshaus. Dort landen sie danach im Glascontainer, werden zur Recyclingstelle gefahren und unter großem Energieaufwand eingeschmolzen …
Dass das so geil ist, kann ich mir nicht vorstellen.“ Sein Fazit: Eine Verpackung aus Kunststoff und Karton ist nicht nur in der Erzeugung nachhaltiger, sondern auch, was das Gewicht beim Transport betrifft. Jetzt muss man natürlich schon anmerken, dass die Gebinde, die Hartmut Aubell seit einigen Jahren für seine hochwertigen Naturweine verwendet, keine Tetrapacks sind, wie wir sie aus dem Supermarkt kennen.
Es sind sogenannte „Bag in Box“-Systeme, bei denen eine Seele aus lebensmittelechtem Kunststoff mit Wein befüllt und dann in einem Karton verpackt wird. Aber am Ende liefert Hartmut Aubell seine hochwertigen Weine inzwischen zumindest teilweise in diesen Dreiliter-Packerln aus und rechnet grob vor: „In einen Karton bekomme ich in Flaschen 4,5 Liter Wein. Mit dem ,Bag in Box‘-System sind es neun Liter. Und das Glasgewicht fällt auch weg.“
Doch diese Milchmädchenrechnung ist wohl wirklich nur die Spitze des Weinbergs – längst geben dem leidenschaftlichen Naturwinzer staubtrockene Wissenschaftler recht. Der Schweizer Umweltingenieur David Rochat etwa hat sich der Sache mathematisch genähert und die CO2-Bilanz von „Bag in Box“ und der Glasflasche verglichen.
Sein Fazit: Ein Beutel für drei Liter Wein verursacht etwa 100 Gramm CO2. Die Produktion der Glasflaschen emittiert hingegen einen Ausstoß von 1.800 Gramm CO2. Hartmut Aubell postuliert also: „Wenn wir unseren Planeten retten wollen, müssen wir unser Tun einfach in allen Belangen hinterfragen und eingefahrene Verhaltensmuster neu denken.“ Uns eben auch die Frage stellen, ob wirklich jeder Wein immer aus einer Glasflasche kommen muss.
Neue Chancen für die Gastronomie
Tatsächlich geht es bei der Sache natürlich um Image und Gewohnheit. Das bestätigt auch Sommelier Wick de Geus vom Jagawirt in der Weststeiermark. „Wir haben einfach gelernt, dass Wein aus dem Packerl billig ist und Packerl zudem umweltschädlich sind.“ Er ist ob des Plastikeinsatzes zwar selbst noch etwas skeptisch, was Aubells System betrifft. Dennoch kann er dem überraschenden Produkt des Naturwinzers aber einiges abgewinnen, wenn auch aus anderen Gründen als den umweltschonenden.
Er sagt: „Der Wein in diesen Gebinden hält nach dem Öffnen nicht nur viel länger, es schmeckt einfach auch wirklich das erste Glas gleich wie das letzte.“ Das würde aus gastronomischer Sicht viel Sinn ergeben. Auch das Thema Gewicht sei ein nicht zu vernachlässigender Vorteil, ist sich de Geus sicher. „Egal ob beim Transport von A nach B oder beim Herumtragen im Betrieb ist das natürlich ein echter Pluspunkt.“
Der Co2-Ausstoß bei der Produktion von Glasflaschen ist um 90 Prozent höher als bei dem Bag-in-Box-System. Das ist nicht nix!
Biowinzer Hartmut Aubell rechnet seine Entscheidungen klar durch
Euphorischer gibt sich bei dem Thema die deutsche Sommelière Friederike Duhme. „Als Teil der Generation Z wecken solche Konzepte bei mir stets besonderes Interesse“, sagt sie, weiß aber um den Grenzgang, den ihr Beruf und derartige Packerlwein-Überlegungen mit sich bringen. Gerade die Gäste in ihrer aktuellen Wirkungsstätte – das nineOfive Vienna – würden zwar Naturweine ordern, allerdings auch die dazugehörige Zeremonie erwarten.
„Eine Flasche am Tisch zu öffnen, ist einfach ganz etwas anderes, als mit einem Drei-Liter-Packerl anzukommen“, sagt sie schmunzelnd. In der Wahrnehmung der 29-Jährigen eröffnen Verpackungen aus alternativen Stoffen allerdings neue Möglichkeiten für den Gastronomen. Während man aktuell aus unternehmerischen Gründen nur eine eher geringe Zahl an Weinen glasweise anbieten kann, würde das „Bag in Box“-System hier viel mehr möglich machen. Schließlich halten die bereits offenen Weine darin bis zu ein Jahr.
Grund dafür: Wenn Flüssigkeit entnommen wird, kommt nicht etwa Luft in den Kunststoffsack, vielmehr zieht er sich zusammen und bildet ein Vakuum. „Ein großer Vorteil im Vergleich zur Flasche“, so Duhme.
Allerdings ist ihr wichtig, in dieser Angelegenheit klar zu differenzieren: „Es gibt Weine, die wollen gelagert werden, die sollen in der Flasche eine weitere Entwicklung erleben. Dafür sind derartige moderne Gebinde nicht gedacht. Aber für alles, was bald getrunken wird, stellen sie gewiss eine spannende Alternative dar.“
Ähnlich, so Friederike Duhme, wie ein aus ihrer Heimat Deutschland stammendes Konzept von Schankweinen. „Ebb & Flow Keg“ nennt sich ein Start-up, das aus hochwertigem Metall ganze Weinfässer produziert. Diese werden mit hochwertigen Weinen befüllt – und an Schankanlagen angeschlossen. Im Grunde verfolgen die Macher den gleichen Grundgedanken wie Hartmut Aubell vom Rebenhof: Eigentlich als minder betrachtete Systeme neu zu denken und in Anbetracht des menschengemachten Klimawandels nachhaltig und hochwertig verstehen zu lernen.
Die Nachfrage macht die Musik
Ein Unterfangen, das aktuell noch mit einer gehörigen Portion Mühsal verbunden ist, wie Aubell nur zu gut weiß. „Wir sind noch wenige, aber wenn mehr Winzer und Gastronomen derartige neue Wege anfangen zu beschreiten, wird sich nicht nur die Wahrnehmung des Packerlweins verändern“, ist sich der 43-Jährige sicher. Er sagt: „Aktuell ist der Innensack noch aus Plastik, weil kein Marktdruck gegeben ist. Sobald hier aber eine Erwartungshaltung aufgebaut wird, werden diese Innenteile garantiert ganz bald gegen Säcke aus Maisstärke – oder einem dafür passenden, aber nachhaltigen Material – ersetzt werden“, ist sich der „Bionier“ sicher.
Und dann würden nicht bloß die letzten Sorgen von Wick de Geus der Vergangenheit angehören, sondern vor allem der CO2-Abdruck der hochwertigen Packerlweine bei nahezu null ankommen.
DIE NEUEN PACKERLWEINE
Tatsächlich wurden die nun von Qualitätswinzern entdeckten „Bag in Box“-Systeme bis dato bloß für die Verpackung von Billigweinen verwendet. Das liegt vor allem daran, dass die Produktion der Gebinde viel günstiger als die von Glas ist. Weil diese Verpackungen aber auch viel leichter als Flaschen sind und vor allem in der Produktion einen um 90 Prozent geringeren CO2-Fußabdruck hinterlassen, werden aktuell findige Naturweinmacher auf diese Systeme aufmerksam. Hinzu kommt, dass die Weine darin -länger halten und somit für die Gastro eine spannende Option dar–stellen.