Taugt Wein als Investment?
Was wäre das für eine schöne Sache gewesen, wenn der Großvater einst um kleines Geld eine dieser bloß 600 produzierten Romanée Conti Jahrgang 1945 Flaschen erstanden und nicht getrunken hätte?

Was wäre das für eine schöne Sache gewesen, wenn der Großvater einst um kleines Geld eine dieser bloß 600 produzierten Romanée Conti Jahrgang 1945 Flaschen erstanden und nicht getrunken hätte?

Sie wäre heute 483.000 Euro wert. Zumindest erzielte eine Flasche dieses Jahrgangs bei einer New Yorker Weinversteigerung von Sotheby’s im Oktober 2018 diesen Überraschungspreis – mehr als das Zehnfache des Rufpreises übrigens. Diese Geschichte steht exemplarisch für den heimlichen Traum vieler – laut Statistik vor allem männlicher – Weinliebhaber: Den Trinkgenuss mit dem Geschäft zu verbinden.
Tatsächlich ist gerade in den vergangenen Jahren das Interesse von Investoren am Thema Wein auffällig gestiegen. Anlagen in Weine oder Weingüter würden eine Diversifizierung des Portfolios erzeugen und eine geringe Korrelation zu traditionellen Anlagen wie Aktien und Anleihen haben, wird gerne betont.
„Das Interesse liegt weit über dem Stand von vor zehn Jahren und die Anleger haben dank Tools wie Wine Track einen viel besseren Zugang zu Preis- und Investitionsdaten“, erklärt Alexander Westgarth, Gründer und CEO von Winecap, in einem kürzlich erschienenen Interview im österreichischen Kurier.

Er hat sich mit seinem internationalen Unternehmen darauf spezialisiert, für Anleger rentable Portfolios mit Weininvestments aufzubauen. Naturgemäß aus seiner Sicht nicht nur eine sichere Bank, sondern auch ein grünes Investment, wie er betont: „Vermehrte Aufklärung über die Vorteile von Wein als Anlageform haben dazu beigetragen, seine weltweite Attraktivität zu steigern.
Das Interesse an Wein und Weininvestments liegt weit über dem von vor zehn Jahren.
Feiner Wein kann zudem aus ökologischen und sozialen Gründen als nachhaltige Investition betrachtet werden, einschließlich der Anpassung an den Klimawandel, der regenerativen Landwirtschaft und des Schutzes der biologischen Vielfalt sowie des Wohlergehens der Arbeitnehmer und des Engagements in der Gemeinschaft.“
Ab 5.000 Euro ist man dabei, nach oben hin sind freilich keine Grenzen gesetzt. Aber wie bei jeder Art von Aktie gibt es natürlich auch beim noch so wertvollen Wein keine Gewinngarantie.
Eine eigene Börse für wertvolle Weine
Es verwundert also nicht, dass sich längst eigene Weinbörsen etabliert haben, in denen Weinkurse gehandelt werden wie jene von Wertpapieren. Der relevanteste ist der Liv-ex Fine Wine 100 in London.
Er vereint als globaler Marktplatz heute 620 Mitglieder und ist ausschließlich für professionelle Trader zugänglich. Diese hatten zuletzt allerdings wenig Grund, selbst gute Weine zu öffnen, um zu feiern: Die Preise für edle Tropfen aus Burgund und Champagne sind 2024 stark gefallen, der Index hat somit um 9,2 Prozent verloren.
Zudem sind auch die Aussichten für 2025 gedämpft – nicht zuletzt durch die Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten. Er hatte in seiner ersten Amtszeit bereits Strafzölle auf europäische Weine verhängt; es wird befürchtet, er könnte dies wieder tun. Doch die Sorgen auf den internationalen Weinmärkten sind in Wahrheit noch viel größer.
„Das eigene Geld in Wein zu investieren, macht für die meisten Menschen keinen Sinn. Dazu muss man sich täglich mit dem Thema befassen.“
Berndt May war einst Banker und ist heute Weinhändler. Er weiß, dass Geld in anderen Anlageformen besser aufgehoben ist.
Berndt May war 29 Jahre in der Finanzwelt als Fondsmanager unter anderem für die renommierte US-Bank wie J.P. Morgan tätig. Seit 2017 beschäftigt er sich nun als Händler wertvoller Tropfen hauptberuflich mit seiner alten Leidenschaft Wein. Sprich: Der Mann hat von beiden Seiten richtig Ahnung.

Und er sieht für die einschlägigen Indexe schlechte Jahrgänge voraus: Der Zinsanstieg, die Immobilienkrise, die politischen Unsicherheiten, die kriegerischen Ereignisse werden in seinen Augen zu einer Gemengelage führen, die generell für die Wirtschaft von Nachteil ist, vor allem aber für den Handel von Luxusgütern. „Zudem“, sagt er, „gibt es aktuell am Markt zu viel an Top-Weinen und auch die junge Generation interessiert sich nur noch bedingt für Wein“. Alles keine guten Aussichten für Rotweinanleger.
„Der Wert des Weinkellers ist nicht als Anlage zu verstehen, sondern als Resultat einer schönen und genussvollen Leidenschaft.“
Weinfachmann Berndt May über unabsichtliche Geldvermehrung im Weinkeller.
Allerdings sieht der Fachmann generell die Idee, Weine als Geldanlage zu betrachten, skeptisch. „Das macht für die meisten Menschen einfach keinen Sinn“, sagt er. Klar, wenn man Weinhändler ist wie er und sich jeden Tag damit befasst, kann man durch intelligenten Ein- und Verkauf Geld verdienen.
Doch die Idee, wonach man teure Weine kauft, einlagert und dann reich ist, ist in seinen Augen eher eine Schnapsidee. „Unser Credo als Weinhändler lautet: Wenn du gute Weine liebst, dann haben wir für dich das, was du wirklich genießen wirst.“ In seinen Augen ist es für Privatpersonen erfüllender, tolle Weine zu sammeln, zu lagern und zu genießen, als damit Geld verdienen zu wollen.
Nachsatz: „Das heißt nicht, dass der Weinkeller dann nichts wert ist, da liegen schneller, als man denkt, schon einmal 100.000 Euro. Doch dieser Wert ist keiner, den ich als Anlage verstehe, sondern etwas, das dank einer Leidenschaft unabsichtlich passiert.“ Romantisches Fazit: Selbst von teuren Weinen hat man mehr, wenn man sie trinkt, als wenn man sie bunkert. Prost!