Kuss der Muse
Fotos: Monika Reiter, Thomas Schauer
Der Name seines Lokals hat gar nichts mit Schmusen zu tun, verrät Mario Bernatovic: „Mein Restaurant liegt im Biedermeierviertel in Wien. Hier gibt es viele Lokale mit angelehnten Namen, deswegen haben wir tiefer gegraben und sind dabei über den deutschen Arzt und Professor Adolf Kußmaul gestolpert. Er gilt als einer der Miturheber des Begriffs Biedermeier.“ Obwohl der Ausdruck für altbacken oder konservativ steht, ist das Hybrid von Bernatovic alles andere als verstaubt. Die moderne Variante eines Gourmetrestaurants mit angrenzendem Bistro und der Café-Pâtisserie vermittelt eine Wohlfühlatmosphäre mit moderner Elektromusik, der schick-urbanen Einrichtung und der offenen Küche. Die Auslage der feinsten Stücke aus der Hand der Chef-Pâtissière lässt einem sofort das Wasser im Mund zusammenlaufen. Wieso eigentlich dieses Konglomerat aus drei genialen Konzepten? „Weil es sich rein architektonisch gut in den Raum einfügt. Und dann werden auch junge Menschen durch das preisgünstigere Bistro angesprochen. Sie erinnern sich dann nach ihrer Ausbildung an uns und…
Fotos: Monika Reiter, Thomas Schauer
Der Name seines Lokals hat gar nichts mit Schmusen zu tun, verrät Mario Bernatovic: „Mein Restaurant liegt im Biedermeierviertel in Wien. Hier gibt es viele Lokale mit angelehnten Namen, deswegen haben wir tiefer gegraben und sind dabei über den deutschen Arzt und Professor Adolf Kußmaul gestolpert. Er gilt als einer der Miturheber des Begriffs Biedermeier.“ Obwohl der Ausdruck für altbacken oder konservativ steht, ist das Hybrid von Bernatovic alles andere als verstaubt. Die moderne Variante eines Gourmetrestaurants mit angrenzendem Bistro und der Café-Pâtisserie vermittelt eine Wohlfühlatmosphäre mit moderner Elektromusik, der schick-urbanen Einrichtung und der offenen Küche. Die Auslage der feinsten Stücke aus der Hand der Chef-Pâtissière lässt einem sofort das Wasser im Mund zusammenlaufen. Wieso eigentlich dieses Konglomerat aus drei genialen Konzepten? „Weil es sich rein architektonisch gut in den Raum einfügt. Und dann werden auch junge Menschen durch das preisgünstigere Bistro angesprochen. Sie erinnern sich dann nach ihrer Ausbildung an uns und kommen wieder.“ Gekonnt durchdacht, Herr Bernatovic.
Österreichisch inspirierte Moderne
Aber auch gekonnt umgesetzt: Der gebürtige Wiener mit kroatischen Wurzeln und sein Team bieten jeden Tag frische Bio-Speisen an. Im Bistro mit 50 Sitzplätzen gibt es verschiedene Frühstücksvariationen für rund zwölf Euro, Mittagsgerichte für 20 bis 30 Euro und Tellerdesserts für zwölf bis 15 Euro. Im Gourmetrestaurant mit 60 Plätzen werden rund 110 Kuverts gemacht. Ein Gast kann sich zwischen 14 salzigen Speisen à la carte für circa 30 Euro oder vier, sechs und acht Gängen von 48 bis 100 Euro entscheiden. Und was liegt dann auf dem Teller? Saisonale Produkte mit regionalem Bezug: 80 bis 90 Prozent der Lebensmittel kommen aus Österreich, das Menü ändert sich alle eineinhalb Monate. Passend zu dem, was frisch ist, gibt’s zusätzlich zur Karte noch Tagesempfehlungen. Bernatovic legt großen Wert auf gute Produkte, allerdings tragen nicht alle seine Lieferanten das Bio-Siegel. Trotzdem sind alle nachhaltige und aufmerksame Produzenten, die Bernatovic innerhalb seiner 20-jährigen Berufserfahrung kennengelernt hat. „Ab und zu kommen noch neue dazu, aber das ist eher selten. Für mich ist das Wichtigste das Vertrauen zum Produzenten. Ich muss mich auf die Qualität verlassen können.“
Rezept: Mario Bernatovic setzt die Komponenten des Gerichts in Szene und lässt den Gast in die kulinarische Vielfalt auf dem Teller eintauchen.
An der Bar mit zehn Plätzen lassen sich Bio-Weine mit Highlights wie Orangeweinen gemütlich schlürfen: Allerdings kommen nur 30 bis 40 Prozent der Weine aus Österreich: „Wir bieten keine Weine aus der Neuen Welt an, sondern ausschließlich aus Europa. Außerdem können Massenweine, die mithilfe von gezüchteten Hefen oder Chemie bearbeitet werden, geschmacklich nicht mithalten. Wenn man sich vorstellt, dass ein Quadratmeter Geschmack in der Flasche sein kann, sind bei manchen Weinen nur zwei Quadratzentimeter drin. Das ist mir zu wenig! Viele der angebotenen Weine kommen auch aus dem Osten, ich kenne viele kroatische Weinbauern.“ Aus Kroatien bezieht er gelegentlich auch frischen Fisch von der Adria.
Starker Wille
Gelernt hat der 36-Jährige von 1994 bis 1997 im Wirtshaus Ofenloch in Wien. Danach durchlebte er einige Stationen in Österreich und Deutschland, kochte im Tantris und unter Christian Petz und reiste nach New York, um in David Bouleys leider verblichenem Danube dazuzulernen. „Ich habe eine Affinität zu Japan. Ich hab in New York mit vielen Japanern gearbeitet und die Liebe zum Detail und die Klarheit haben mich begeistert. Ich war jetzt zehn Tage in Japan und in 20 Restaurants essen. Die japanische Küche hat so viel mehr als Sushi zu bieten. Und im Gegensatz zur europäischen Küche fühlt man sich nicht schlapp oder übersättigt nach einem mehrgängigen Menü. Die Küche ist leicht, exakt und genau. Das ist sehr faszinierend!“, schwärmt Bernatovic, der mittlerweile mehr am Pass als in der Küche steht. „Ich entwickle gemeinsam mit der Pâtissière und den zwei Sous Chefs neue Rezepte und koche sie ein-, zwei-, dreimal mit den Köchen durch. Und dann noch die Feinjustierung zwischendurch. Was ich heute sehr gerne mache, ist das Waschen von Artischocken, das Schälen von Spargel und das Filetieren von Fisch. Allerdings überlasse ich Letzteres mehr unseren jungen Köchen. Ich habe es von den Japanern in New York gelernt. Es ist am Anfang gar nicht so einfach, wirklich alles herauszuholen, was möglich ist, damit der Verlust gering bleibt.“ Verlust macht das Kussmaul offensichtlich nicht. Am gleichen Tag einen Tisch im Gourmetrestaurant zu bekommen, ist eher schwierig. Dafür hat Bernatovic auch lange über dem Konzept gebrütet: Er beschloss schon mit 18, sich im Alter zwischen 30 und 40 Jahren selbständig zu machen. Als das Kussmaul im letzten Sommer eröffnete, war er 35 Jahre jung. Gut gemacht! Im Kopf hatte er schon lange die Idee der Kombination aus Bistro, Gourmetrestaurant und Pâtisserie. Ob noch mehr Konzepte wie dieses in seinem kreativen Hirn schwirren: „Ja, einige. Aber jetzt muss ich mich erst einmal ausgiebig um das Kussmaul kümmern, bevor ich mich neuen Projekten widme. Aber ich bin definitiv nicht abgeneigt, noch weitere Lokale zu öffnen, und bin auch schon mit dem ein oder anderen im Gespräch.“ Eines ist sicher: Wen einmal die Muse küsst, den segnet sie auch ein zweites Mal mit Ideen und Inspiration.