Henrique Sá Pessoa: Ich will die Küche Portugals in die Welt tragen!
Es gibt Leute, die sagen, Henrique Sá Pessoa hätte den bestgepflegten Bart, den man je in einer Sterneküche gesehen hat. Ob das nun stimmt oder nicht, sei dahingestellt. Dass man bei den Kochkünsten des portugiesischen Zwei-Sterne-Kochs einfach kein Haar in der Suppe findet, ist allerdings eine Tatsache. Der Mann kocht so präzise, dass in seinen Händen selbst Skalpell und Pinzette grob wirken. Oder, besser gesagt, in seinen Händen zu charmanten Waffen einer besonderen Revolution avancieren. Aber dazu später mehr.
Es gibt Leute, die sagen, Henrique Sá Pessoa hätte den bestgepflegten Bart, den man je in einer Sterneküche gesehen hat. Ob das nun stimmt oder nicht, sei dahingestellt. Dass man bei den Kochkünsten des portugiesischen Zwei-Sterne-Kochs einfach kein Haar in der Suppe findet, ist allerdings eine Tatsache. Der Mann kocht so präzise, dass in seinen Händen selbst Skalpell und Pinzette grob wirken. Oder, besser gesagt, in seinen Händen zu charmanten Waffen einer besonderen Revolution avancieren. Aber dazu später mehr.
Harte Bandagen
Bevor man verstehen kann, was den 46-Jährigen aus Lissabon antreibt, muss man erst einmal in dessen Biografie ein paar Jahre in die Vergangenheit blättern – in seine Schulzeit. Schon mit 17 Jahren war Henrique klar, dass es seine Passion sein würde, am Pass zu stehen. „Ich war mir so sicher, es gab gar keine andere Option in meinem Kopf“, erinnert er sich heute. Allein, schon sein erster Chefkoch hätte ihm diese Leidenschaft beinahe ausgetrieben, bevor sie überhaupt erblühen hätte können: „Nach wenigen Wochen in seiner Küche sagte er zu mir, ich sei nutzlos und sollte gleich mit dem Kochen aufhören, weil das so oder so nichts mehr wird.“
Ich bin Teil einer portugiesischen Koch-Revolution!
Henrique Sá Pessoa über eine neue Elite
Eine Aussage, die dem damals so ambitionierten Kochlehrling für eine Nacht jeden Schlaf raubte. Um tags darauf in ihm ein Feuer zu entfachen, das bis heute in ihm lodert. „Ich wusste, ich musste einfach besser werden als alle anderen. Härter an mir arbeiten als alle anderen. Mehr über meine Arbeit reflektieren als alle anderen.“ Eine Rezeptur, die aus dem passionierten einen immer perfekteren Koch machen sollte. Und einen Mann, der bald über Lissabon hinauswuchs. Der in den USA, Australien und Großbritannien in hochdekorierten Küchen arbeitete, um schließlich heimzukehren.
Arschlöcher sind von gestern
Im Gepäck hatte der inzwischen als charmant-stur bekannte Spitzenkoch damals allerdings nicht bloß einen reichen Erfahrungsschatz. Vielmehr war Sá Pessoa auf seiner Reise um den kulinarischen Erdball eines klar geworden: Chefs, die in der Küche ein hartes Regiment führen, haben keine Zukunft. Er sagt: „Die Zeiten von schreienden Gordon Ramsays sind vorbei. Selbst Noma-Chef René Redzepi hat erkannt, dass er die besten Mitarbeiter verliert, wenn er ein Arschloch ist.“ Dementsprechend will Henrique Sá Pessoa in seinen heute acht Restaurants alles sein, nur kein herumbrüllender Boss. Nicht zuletzt heißt wohl auch deshalb sein Haupthaus in Lissabon Alma. „Das bedeutet so viel wie Seele“, begründet er. Und sagt damit mit einem Wort, worum es ihm vor, hinter und neben dem Herd geht: um die Seele von Menschen, Produkten – und dem Land, in dem er lebt.
Womit wir nun beim eingangs erwähnten revolutionären Aspekt von Sá Pessoas Arbeit angelangt wären: „Ich sehe mich gemeinsam mit anderen Chefs, wie etwa dem Österreicher Hans Neuner, als besonders motivierten Vertreter einer portugiesischen Kochrevolution.“ Tatsächlich hat sich in den vergangenen Jahren eine erlesene Schar an Spitzenköchen formiert, die der Küche Portugals weit mehr als bloß einen neuen Twist verpasst. Das lässt sich am besten in Sternen ausdrücken: Eben diese Elite hat in den vergangenen fünf Jahren mehr Michelin-Auszeichnungen abgesahnt als in den 50 Jahren davor, rechnet Pessoa vor. „Die Küche unseres Landes kennt man international so gut wie nicht“, erläutert er den Hintergrund dazu. So würde zwar jeder wissen, was griechisches, italienisches oder chinesisches Essen sei, aber eben niemand, was typisch portugiesisch ist.
Portugals Weltküche kommt
Unter genau diesen Vorzeichen stand nun freilich auch sein Best-of-Menü, das er für Martin Kleins Küche im Ikarus destillierte. „Mein Ziel ist es stets, Techniken aus allen möglichen Küchen mit portugiesischen Produkten zu einen“, so Henrique Sá Pessoa. Also gibt’s statt Huhn-Piri-Piri eben Schwein-Piri-Piri. Kurz zur Erinnerung: Spanferkel ist typisch portugiesisch. Aber auch die Zwiebelconsommé mit Seeteufel, Muscheln und Kaviar ist vielleicht in der Technik französischer Natur, der Geschmack aber erinnert an die legendären Fischeintöpfe der Atlantikküste Portugals.
Wäre man dort aufgewachsen, würde man wohl sagen: „Das schmeckt wie von Oma!“ Und damit würde man Pessoa wiederum die größtmögliche Freude bereiten. „Denn“, sagt er „das ist das, was ich darunter verstehe, wenn ich von der Seele eines Gerichts spreche!“ Und somit auch von der Seele der Küche seiner Heimat. Diese gilt es nun seiner Meinung nach – überspitzt formuliert – zu verkaufen. „Meine größte Mission besteht darin, die portugiesische Küche in die Welt zu tragen!“ Die Menschen in anderen Ländern in portugiesischer Kost zu unterrichten, sozusagen. Dementsprechend wichtig sind für ihn deshalb Konzepte wie jenes besondere des Ikarus. „Ich war vor zehn Jahren privat hier. Seither träume ich davon, Gastkoch sein zu dürfen“, erzählt der April-Chef.
Mir ist Gleichgewicht Wichtiger als ein Trend.
Henrique Sá Pessoa über die Veggie-Welle
Keine Frage, die Anfrage von Martin Klein kam wie gerufen. Vor allem, weil sich der begeisterte Weltenbummler derzeit in einer Lebensphase befindet, in der seine persönliche Mission einen neuen Höhepunkt erreicht hat: Während der Pandemie entwickelte Portugals Chef-Revoluzzer gleich zwei Restaurantkonzepte, die Köstlichkeiten seiner Heimat auf smartem Weg in das kulinarische Europa tragen sollen. So eröffnete mit dem Arca bereits sein Amsterdam-Ableger. Ein Hotspot, der die mit den Niederländern gemeinsame Seefahrerhistorie auf den Teller bringt.
Pessoa: „Arca bedeutet Arche. Es ist ein Schiff, das mit Schätzen – vor allem aus Portugal – beladen ist und diese den Amsterdamern präsentiert.“ Der zweite Satellit ist in London im Entstehen. „Hier wollen wir spanisch-portugiesisch arbeiten, das Iberische transportieren“, so der Mastermind. Name: Noch geheim, eine Lizenz fehlt bis dato.
Zum Haare raufen
Kein Geheimnis ist, dass Henrique Sá Pessoa seine neuen Konzepte nicht dem aktuellen Veggie-Trend angepasst hat. „Ich mag ein Gleichgewicht bei den Speisen, die wir servieren.“ Dass etwa nach der Ankündigung des Eleven Madison Park in New York, auf vegan umzustellen, die halbe Welt glaubt, urplötzlich nur noch vegetarisch kochen zu müssen, findet er schlicht und einfach – zum Haare raufen.
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HENRIQUE SÁ PESSOA
Der in Lissabon aufgewachsene Chef hatte nie einen anderen Traum als zu kochen. Nach seiner Ausbildung bereiste er die kulinarische Welt und sammelte sowohl in den USA, Australien, Asien und Großbritannien intensive Eindrücke, die bis heute in seiner Küche Niederschlag finden. Vor allem in seinem Alma in Lissabon demonstriert er derzeit, was die portugiesische Traditionsküche alles sein kann, sofern man ihr mutig begegnet. Doch auch in seinen sieben weiteren Restaurants verfolgt der 46-Jährige das erklärte Ziel, die Küche seiner Heimat der ganzen Welt schmackhaft darzulegen.