World Best Restaurants – Die größten Überraschungen der Top 100
Die Chemie muss stimmen! Denn nicht anders ist es zu erklären, dass die besten drei Restaurants der Welt allesamt auf Molekularküche schwören. So sehen es jedenfalls die 700 Experten, die für das britische Restaurant Magazine die 100 besten Gourmettempel der Welt kürten. Anerkannte Küchenchefs, Gastronomen, Fachjournalisten und Restaurantkritiker – aus ihnen setzt sich die Jury zusammen. Und nicht wenige wollten das Ende der Avantgardeküche schon kommen gesehen haben, doch man entschied anders. Molekularpionier Ferran Adrià mit dem El Bulli auf Platz 1, die Molekulargefolgschaft unverändert gegenüber dem vergangenem Jahr hinter dem Großmeister: The Fat Duck des Engländers Heston Blumenthal auf Rang 2, auf dem 3. Platz das Pariser Pierre Gagnaire des gleichnamigen Kochs.
Kritik hagelt es aus der ganzen Welt: Sterneköche poltern und sogar Jurymitglieder zweifeln – wenn auch hinter vorgehaltener Hand – an der Seriosität der Bewertung. Dass man mit einer klassischen Küche kaum mehr eine Chance hat, im Spitzenfeld dieses Rankings zu landen, ist dabei noch der geringste Aufreger. „Das ist doch nichts weiter als eine Selbstbeweihräucherung. Dass die Engländer mit so vielen Restaurants vertreten sind, liegt ja auch nur daran, dass diese Liste von einem englischen Magazin erstellt wird“, schimpft Heinz Winkler, mit 3 Sternen seit 21 Jahren auch nicht gerade ein Unbekannter, in der angeblich renommierten Liste aber nur auf Platz 68 zu finden. Als Neueinsteiger! Und in der Tat liegt England in der Nationenwertung mit 12 Restaurants an 3. Stelle, hinter Frankreich (19) und USA (13). Deutschland, das neben Frankreich am meisten Sterneköche hervorbringt, schaffte es überhaupt nur mit 6 Restaurants in die Top 100.
Eine Vielzahl von Sternenköchen vermisst man gänzlich. Wie den Taubenkobel der Österreicher Walter und Eveline Eselböck. Oder das Amador von Juan Amador in Langen. „Bei der Bewertung spielt bei vielen leider nicht nur die Fachmeinung eine Rolle. Es geht manchmal einfach auch um Sympathie.“ Diese Offenheit aus dem Mund eines offiziellen Juroren verrät viel über die Entstehung der World Best Restaurants. Branchenintern will man Bewertungen wie dieser wenig Gewicht geben. Winkler: „Ich werde auf der ganzen Welt eingeladen zu kochen. Was interessiert mich dann dieses Ranking?“
Für weiteren Gesprächsstoff bei der Preisverleihung in London sorgten auch jene Restaurants, die Riesensprünge nach vorne machten oder herbe Verluste einstecken mussten. Und dann zogen auch noch die Exoten das Interesse auf sich. Jene Restaurants, die als einzige ihrer Nation die Fahne hochhalten. Wie das Biko in Mexiko City, das ganz neu in der Liste auf Platz 89 landete und wo die Küchenchefs Bruno Oteiza und Mikel Alonso gemeinsame Sache machen. Oder das Schweizer L’Hôtel de Ville von Philippe Rochat, zusammen mit dem Neueinsteiger Le Pomt de Brent der einzige Vertreter der Nati. Als höchster Wiedereinsteiger macht es sich dort Küchenchef Philippe Rochat gleich unter den Top 50 gemütlich, konkret auf Platz 27. In seiner Küche regiert die Reduziertheit. „Jedes Gericht braucht nur drei Aromen“, sagt er. Die müssen in der Kombination aber stimmig und intensiv sein. Seit 1996 führt er die schmucke Villa an der Rue d’Yverdon in Crissier. Seine Gäste verblüfft er mit Speisen wie Jakobsmuschel gefroren mit Kristall-Vodka. Trotzdem: Mit nur zwei Restaurants unter den ersten 100 fällt das Ergebnis der Schweizer ebenfalls schwach aus. 23 Nationen schafften es insgesamt in die Liste, gleich 9 davon mit nur einem Lokal.
Der Topvertreter der Singleländer ist das Noma in Dänemark auf Platz 10. Überraschenderweise gefolgt vom nächsten Skandinavier, dem finnischen Chez Dominique auf Rang 39. Der Küchenchef und Besitzer Hans Välimäki hebt in seinem Restaurant in Helsinki die finnische Küche auf ein neues Level. Und das ist wortwörtlich gemeint. Denn was könnte finnischer sein als ein Schneeball. Genau der findet sich seit diesem Jahr ganz neu auf der Karte im Chez Dominique: Winterfrischer Schneeball gefüllt mit Minze und Beeren. Klingt frostig, soll auch so schmecken. Im Gegensatz zu den Gerichten fällt das Interieur minimalistisch aus. Weiß und Pastell, kühl und doch ansprechend. Skandinavisch eben.
Dass aber auch der Süden Europas in der Top-100-Liste überrascht, zeigt nicht nur das Gewicht der Spanier und Italiener, die mit 12 bzw. 8 Restaurants in der Nationenwertung die Plätze 4 bzw. 5 einnehmen. Auch die Kroaten sind in der aktuellen Wertung vertreten. Und zwar mit dem Plavi Podrum (Platz 94), das am winzigen Hafen von Volosko am nördlichen Stadtrand von Opatija angesiedelt ist. Regionale Produkte werden dort verarbeitet, vor allem Scampi und Muscheln.
Nach wie vor halten aber die Franzosen das Gros der World Best Restaurants mit nicht weniger als 19 Nennungen. Für eine der größten Verwunderungen nicht nur aus französischer Sicht sorgt dort jedoch Anne-Sophie Pic, die mit ihrem gleichnamigen Restaurant im südfranzösischen Valence ganze 12 Ränge einbüßte und nur auf Platz 82 landete. Fragwürdig deshalb, weil Pic 2007 mit drei Sternen von Michelin auf den Kocholymp gesetzt wurde. Übrigens als erste Frau seit 1933.
Die Liste ist gespickt mit Seltsamkeiten. Doch auch wenn nur 6 deutsche Restaurants zu den ausgewählten 100 zählen, so sind sie doch die klaren Aufsteiger. Herausragend das Münchner Tantris, das um 50 Plätze auf die 47. Position vorschoss. Und das Vendôme im Schloss Bensberg in Bergisch Gladbach, dem mit Sternekoch Joachim Wissler und Restaurantleiter Angel Calero Novilli ebenfalls ein Satz von 39 Plätzen auf Rang 34 gelang. Damit übernahm man die deutsche Vorreiterschaft, einen Platz vor der Schwarzwaldstube in Baiersbronn. Winkler auf Platz 68 juckt das wenig: „Wir Deutschen sollten besser selbst einmal so eine Liste erstellen. Dann machen wir es wie die Engländer und wählen uns selbst rein.“
Platz 1: Der verblüffte König von Spanien
Ferran Adrià dominiert mit seinem El Bulli die Molekularküche zwar wie kein anderer, doch dass der 45-Jährige zum dritten Mal in Folge die Spitze der renommierten Liste erklomm, überraschte selbst ihn. „Ich teile mir den Preis mit allen spanischen Köchen und mit den 70 Angestellten des El Bulli“, sagte er bei der Preisverleihung in London und düste danach ab an die Costa Brava, wo in der Nähe von Roses, nördlich von Barcelona, der Gourmettempel des Molekularpioniers beheimatet liegt. Auf Adriàs Speisekarte finden sich so außergewöhnliche Gerichte wie Muschelmousse, Olivenölbonbons oder lyophilisierte Tomaten.
www.elbulli.com
Platz 10: Der skandinavische Molekular-Wikinger
Das dänische Restaurant Noma ist die Überraschung in den Top 10. Der Küchenchef René Redzepi verbesserte sich gleich um 5 Plätze. Und nein, das Noma in Kopenhagen darf nicht als El Bulli-Kopie bezeichnet werden. Redzepi hat seine eigene Version der kulinarischen Avantgarde gefunden, was sich allein schon in der Auswahl seiner Zutaten bemerkbar macht. Die stammen nämlich fast ausschließlich aus Skandinavien. Wenn Redzepi in Dänemark nicht das Passende findet, zieht es den Ausnahmekönner auch schon mal nach Grönland hinauf.
www.noma.dk
Platz 40: Der DJ auf Höhenflug
Der Brasilianer Alex Atala hielt sich auch dieses Jahr wacker unter den Top 50. Die Küche im D.O.M. in Sao Paulo schöpft aus dem Europäischen wie dem Brasilianischen. Besonders ausgefallen sind Atalas Küchentechniken: luftige Schäume, pulvriges Gemüse, durchsichtige Gelatine, feine Sprühnebel und bunte Würfel. Auf Atalas Tellern ist die Moderne zuhause. Andererseits besteht der Brasilianer auf die Verwendung heimischer, durchaus traditioneller Produkte. Das Gefühl für den richtigen Mix bringt Atala vielleicht auch deshalb mit, weil ihm als Musiker der Rhythmus im Blut liegt. Lange Zeit arbeitete er in Sao Paulo als DJ.
www.domrestaurante.com.br
1.
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El Bulli / Spanien Ferran Adrià / www.elbulli.com |
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2.
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The Fat Duck / Großbritannien
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4.
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+ 3
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Mugaritz / Spanien
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6.
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+ 3
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Per Se / USA
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8.
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+ 2
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Arzak / Spanien
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10.
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+ 5
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Noma / Dänemark
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14.
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– 1
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L’Atelier de Jo(E)l Robuchon / Frankreich
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16.
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+ 18
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St John / Großbritannien
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18.
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+ 2
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Alain Ducasse au Plaza / Frankreich
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22.
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+ 6
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Le Gavroche / Großbritannien
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24.
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+ 5
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Le Cinq / Frankreich
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26.
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– 15
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El Celler de Can Roca / Spanien
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28.
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– 14
|
Hof Van Cleve / Belgien
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30.
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– 13
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Nobu London / Großbritannien
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32.
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+ 9
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Enoteca Pinchiorri / Italien
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34.
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+ 39
|
Vendôme / Deutschland
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36.
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– 20
|
Le Calandre / Italien
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38.
|
– 8
|
Charlie Trotter‘s / USA
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40.
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– 2
|
D.O.M. / Brasilien
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41.
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– 9
|
Daniel / USA
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42.
|
+ 3
|
Oud Sluis / Niederlande
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46.
|
– 3
|
L’Arpege / Frankreich
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48.
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– 9
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Oaxen Skärgärdskrog / Schweden
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50.
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– 3
|
Le Quartier Francais / Südafrika
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52.
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+ 37
|
Nobu New York / USA
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54.
|
+ 2
|
Masa / USA
|
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56.
|
– 33
|
L’Ambroisie / Frankreich
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58.
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– 14
|
River Café / Großbritannien
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60.
|
*NE
|
Le Chateaubriand / Frankreich
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62.
|
– 3
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Dieter Müller / Deutschland
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64.
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+ 3
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Zuma / Großbritannien
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66.
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+ 13
|
El Poblet / Spanien
|
|
68.
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*NE
|
Residenz Heinz Winkler / Deutschland
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70.
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*NE
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The Waterside Inn / Großbritannien
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72.
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*NE
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Esperanto / Schweden
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74.
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*NE
|
Akelarre / Spanien
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76.
|
– 5
|
Vue de Monde / Australien
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78.
|
*NE
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Etrusco / Griechenland
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80.
|
– 18
|
Café Pushkin / Russland
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82.
|
– 12
|
Pic / Frankreich
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84.
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*NE
|
Ledoyen / Frankreich
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86.
|
*NE
|
La Maison de Bricourt / Frankreich
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88.
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*NE
|
Pieree Gagnaire / Hong Kong
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90.
|
*NE
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Le Pont de Brent / Schweiz
|
|
92.
|
*NE
|
Waldhotel / Deutschland
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94.
|
*NE
|
Plavi Podrum / Kroatien
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96.
|
*NE
|
Hubertus / Österreich
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98.
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*NE
|
Robuchon a Galera / Hong Kong
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