Alles Technik, oder was?

Eine Küche ist eine Küche ist eine Küche. Stimmt in der Theorie. Modernist Cuisine setzt auf HighTech-Methoden aus der Labor-technik für spektakuläre Ergebnisse – die auch in einer stinknormalen Küche möglich sind. <br />
November 13, 2015

Modernist Cuisine
Grillen, braten, kochen, dämpfen, backen und garen – wie selbstverständlich wendet ein jeder Koch tagtäglich diese Techniken an. Aber bei der Zubereitung muss nicht immer Hitze im Spiel sein – zumindest nicht, wie man sie im Normalgebrauch kennt. Modernist Cuisine hat das Kochen mit ihren innovativen Techniken auf eine neue Ebene gehoben. Godfather ist Nathan Myhrvold, der mit seinem Cooking Lab die Richtung vorgibt. Sein 20-Kilo-Wälzer „Modernist Cuisine. Die Revolution der Kochkunst“ hat sich längst zum Standardwerk etabliert. Die Techniken, die er darin vorstellt, faszinieren – inspiriert durch technische Mittel und Technologien aus der Wissenschaft – mit teils phänomenalem Ergebnis und kulinarischen Special Effects, die man so noch nicht kannte. Denn einer der größten Fehler von Küchenchefs, so der Physiker und ehemalige Microsoft-Forschungschef, sei zu glauben, dass moderne Küchentechnik und Wissenschaft nicht wichtig sind – auch für traditionelle Küchen.

Tradition mit Hightech-Geräten
Dabei will die Modernist Cuisine keineswegs die traditionellen Methoden des Kochens ersetzen, sie baut vielmehr darauf auf und hinterfragt sie. Myhrvold vergleicht die kulinarische Geschichte mit der Kunstgeschichte, die eigentlich Kunstwerke analysiert und in ihre Einzelteile zerlegt. „Ferran Adrià oder Heston Blumenthal sind die Modernisten des Kochens. Sie kreieren wunderbare Erlebnisse, vergleichbar mit einer Oper oder einem Broadway-Stück in New York. Ich glaube, dass Essen die Berechtigung hat, Kunst zu sein. Und wenn Essen Kunst ist, dann darf es Drama beinhalten, muss spektakulär und theatralisch sein. Und genau das ist es, was wir zu vermitteln versuchen.“
Entscheidend: Man muss nicht immer…

Modernist Cuisine
Grillen, braten, kochen, dämpfen, backen und garen – wie selbstverständlich wendet ein jeder Koch tagtäglich diese Techniken an. Aber bei der Zubereitung muss nicht immer Hitze im Spiel sein – zumindest nicht, wie man sie im Normalgebrauch kennt. Modernist Cuisine hat das Kochen mit ihren innovativen Techniken auf eine neue Ebene gehoben. Godfather ist Nathan Myhrvold, der mit seinem Cooking Lab die Richtung vorgibt. Sein 20-Kilo-Wälzer „Modernist Cuisine. Die Revolution der Kochkunst“ hat sich längst zum Standardwerk etabliert. Die Techniken, die er darin vorstellt, faszinieren – inspiriert durch technische Mittel und Technologien aus der Wissenschaft – mit teils phänomenalem Ergebnis und kulinarischen Special Effects, die man so noch nicht kannte. Denn einer der größten Fehler von Küchenchefs, so der Physiker und ehemalige Microsoft-Forschungschef, sei zu glauben, dass moderne Küchentechnik und Wissenschaft nicht wichtig sind – auch für traditionelle Küchen.

Tradition mit Hightech-Geräten
Dabei will die Modernist Cuisine keineswegs die traditionellen Methoden des Kochens ersetzen, sie baut vielmehr darauf auf und hinterfragt sie. Myhrvold vergleicht die kulinarische Geschichte mit der Kunstgeschichte, die eigentlich Kunstwerke analysiert und in ihre Einzelteile zerlegt. „Ferran Adrià oder Heston Blumenthal sind die Modernisten des Kochens. Sie kreieren wunderbare Erlebnisse, vergleichbar mit einer Oper oder einem Broadway-Stück in New York. Ich glaube, dass Essen die Berechtigung hat, Kunst zu sein. Und wenn Essen Kunst ist, dann darf es Drama beinhalten, muss spektakulär und theatralisch sein. Und genau das ist es, was wir zu vermitteln versuchen.“
Entscheidend: Man muss nicht immer auf die Hightech-Geräte zurückgreifen, denn hat man einmal verstanden, wie die Technik funktioniert, können mit weniger komplexen und anspruchsvollen Geräten ein gleiches oder ähnliches Ergebnis erzielt und neue Geschmackserlebnisse für alle Sinne kreiert werden. „Kochen ist eine Kunst, aber jede Kunst benötigt das Wissen um die Techniken und Materialien. Wenn man Modernist Cuisine verwendet, bekommt man mehr Kontrolle und das erlaubt einem, noch künstlerischer und kreativer zu sein“, davon ist Nathan Myhrvold überzeugt. Dazu tragen auch spezielle Zutaten wie konzentrierte Geschmacksextrakte, sprühgetrocknete Lebensmittel und Aromapulver, Geliermittel, Cryofluide und Inertgase bei.
Die Freude an der Technik und am Experiment ist Teil des modernistischen Kochens und fließt ein in Methoden wie Extraktion, Filtration, Konzentration und Cryogenik. Die Vertreter selbst sagen von sich: Technik macht süchtig. Und besonders süchtig sind sie danach, mit diesen Werzeugen immer Neues, Überraschendes und Ungewöhnliches auszuprobieren. Mit Hightech-Geräten wie Ultraschallbad, Vakuumtumbler oder Rotationsverdampfer kommt aber auch die Modernist Cuisine allein nicht aus, sie braucht weiterhin die ganz herkömmliche Küchenausstattung.

Große und kleine Technik-Gimmicks
Innovatives Kochen muss nicht gleich ein Vermögen kosten, die Bandbreite an Geräten für die modernistische Küche ist schier unerschöpflich, fängt bei kleinen, feinen und dazu noch günstigen Gimmicks an und reicht bis zu Hightech-Geräten, die tausende Euro kosten. Allein mit Flüssigstickstoff können Effekte und überraschende Geschmackserlebnisse erzielt werden, aber auch die Perfektionierung des Endprodukts spielt eine entscheidende Rolle und treibt die modernistischen Köche an. Das perfekte Aroma, der perfekte Fond, das perfekte Gericht. Und diese auf den folgenden Seiten vorgestellten Techniken steigern das bis zum Extrem.

Must Haves

dem Aroma auf der Spur
Extraktion: dem Aroma auf der Spur

Saucen sind die Grundlage der westlichen Küche, die auf die Fond-Rezepturen des legendären Küchenchefs Auguste Escoffier Anfang des 20. Jahrhunderts zurückgehen und die er zum Standard der Haute Cuisine erhob. Für die Gewinnung eines erstklassigen Fonds hält die Modernist Cuisine zwei klassische Methoden bereit: Dampfkochtopf oder Sous-vide.
Aber Fond ist nicht gleich Fond, die Größe ist entscheidend – und zwar die der Zutaten, je kleiner, desto besser, so einfach ist die Regel: Sind die Einzelteile zu groß, können die Aromen nicht freigesetzt werden. Also Fleisch und Gemüse eher erbsengroß als daumengroß schneiden und Fleisch eventuell sogar durch den Fleischwolf drehen, wobei darauf geachtet werden muss, dass es beim Anbraten nicht verklumpt, sonst tritt der gewünschte Aroma-Effekt nicht ein. Allein durch die Größe des Garguts kann die Kochzeit um ein Achtel reduziert werden und auch der Wareneinsatz verringert sich: Mit 2,5 Kilogramm abgebräuntem Kalbshackfleisch kann ein ebenso intensives Aroma erzielt werden wie mit zehn Kilogramm grob geschnittenem Fleisch. Somit beträgt die eingesparte Ware 75 Prozent. Wird also die Denkweise eines Kochs mit der eines Chemikers kombiniert, reduziert sich der Zeit- und Kostenfaktor drastisch.
Extraktion unter Druck
Kochen mit dem Dampfkochtopf ist nicht nur schneller, es kreiert auch intensivere Aromen als bei traditionellem Köcheln. Der Hintergrund: Der Siedepunkt von Wasser steigt mit zunehmendem Druck. Bei einem Bar mehr im Dampfkochtopf oberhalb der Flüssigkeit kann der Siedepunkt im Inneren erst bei 120 Grad liegen. 20 Grad mehr bewirken, dass die Diffusion und die Freisetzung der Geschmacksreaktionen schneller ablaufen als im offenen Topf. Damit der Fond klar bleibt, darf die Flüssigkeit nicht kochen und der Dampfkochtopf während des Köchelns nicht entlüftet werden, da sonst wertvolle Aromen entweichen.
Wichtig: Den Fond herunterkühlen lassen, so kondensieren Aromen, die sich im Dampf über der Flüssigkeit befinden, und landen im Fond, anstatt in der Küche zu entweichen. Zieht man den klaren Fond mit einem flexiblen Schlauch unter der Fettschicht ab, minimiert sich die Emulgation vom Fett an der Oberfläche mit dem Fond. So kann ein Ergebnis erzielt werden, das fast so klar ist wie bei einer Consommé.

Fonds Sous-Vide
Bei vielen Gemüse- und Fischfonds lässt sich bei niedrigen Temperaturen ein besseres Aroma erzielen als bei hohen Temperaturen unter Druck. Besonders zu empfehlen ist die Kombination von Sous-vide mit einem Ultraschallbad. Die hochfrequenten Schwingungen beschleunigen die Freisetzung der Geschmacksstoffe und ergeben ein volleres Aroma.
Einziger Nachteil: Der Fond trübt sich etwas, zum Klären hilft Filtern oder Zentrifugieren. Mit der Sous-vide-Methode benötigt ein Fischfond etwa eineinviertel Stunden bei 80 Grad Celsius, ein Gemüsefond drei Stunden bei 85 Grad Celsius.

Aromen infundieren
Neben den Fonds bestimmen Aufgüsse, Tinkturen, Tonika die Aromenvielfalt von Gerichten. Die meisten Infusionen werden mit Wasser oder auch mit Brühe, Säften, Milch und Sahne hergestellt.
Bei der Zubereitung sollte nicht einfach heißes Wasser über die Komponenten gegossen oder gekocht werden. Besser kaltes Wasser sous-vide erwärmen, um die Aromen freizusetzen, was eine zu starke Freisetzung oder die Bildung von Bitterstoffen verhindert. Inspiration findet man etwa bei Sternekoch Andoni Luis Aduriz, der die erdigen Aromen von Wildkräutern in seiner Küche im Mugaritz in San Sebastián extrahiert und damit seinen Gerichten eine spezielle Note verleiht.

Filtration
Filtration:die Spreu vom Weizen trennen

Glatte, klare und wenig körnige Speisen möchte jeder Koch seinen Gästen servieren. Für ein schöneres Ergebnis und feine Texturen setzt er Trenntechniken ein und erzielt so ein besseres Mundgefühl. Feste Partikel bis zu einer Größe von sieben Mikrometern sind auf der Zunge, etwa in einer Suppe, spürbar. Durch Filtern werden diese festen Partikel aus der Flüssigkeit entfernt. Dabei gilt: Je kleiner die Porengröße des Filters, desto größer der Kraftaufwand, um Flüssigkeit zu gewinnen. Die modernistische Küche greift neben klassischen mechanischen Filtermethoden auf Schwerkraft, Zentrifugalkräfte oder chemische Prozesse zurück.

Siebe
Die einfachste, kostengünstigste Filtertechnik stellt ein klassisches Sieb dar. Es empfiehlt sich, Siebe mit unterschiedlicher Maschenweite wie 70, 120 und 250 Mikrometern zu verwenden, um flexibel zu sein. Geeignet ist dieses Werkzeug, um Pürees mit üppig samtiger Textur oder Suppen abzuseihen. Es wird auch verwendet, um die Intensität von Gewürzen besser zu steuern, etwa bei gemahlenem Pfeffer.

Vakuum- und Druckfilter
Wirkungsvollere Techniken sind die Vakuum- und die Druckfiltration. Eine Labornutsche mit einer Saugflasche und einer Vakuumpumpe kombiniert, bildet das Grundgerüst der Vakuumfiltration. Dabei saugt das Vakuum unter dem Trichter die Flüssigkeit durch den Filter. Diese Technik ist der einfachste Weg, um Säfte schnell klar zu filtern, eignet sich allerdings weniger gut für Fonds und Brühen, da Fette und Öle durch den Filter gelangen und der Fond so noch trüber als vorher werden könnte.
Die Leistung des Vakuumfiltersystems ist jedoch begrenzt, da der Vakuumdruck nie höher sein kann als der Luftdruck selbst, also 1 bar/15 psi (entspricht 203.421 Pascal). Für größere Mengen kommt ein technisch ausgefeilteres Gerät zum Einsatz: der Druckfilter. Mit einer Elektropumpe wird der Druck auf 7 bar/100 psi erhöht. Praktisch für die Küche sind auch spezielle Weinfilter mit Cellulosefilter, die bei nur 2 bar/30 psi sehr klare Flüssigkeiten liefern und besonders gut für pflanzliche Säfte geeignet sind.

Zentrifuge
Viel Arbeit kann man sich mit einem Hightech-Gerät aus dem Labor sparen: der Zentrifuge, die durch Gravitationskräfte unterschiedlich dichte Stoffe trennt. Sie setzt die Flüssigkeiten extremen Schwerkräften aus, klärt sie, trennt Emulsionen oder entzieht Schwebstoffe und macht ungewöhnliche Mischungen wie zentrifugierte Karotin-Butter, zentrifugierten Erbsensaft oder Tomatenwasser möglich. Leistungsfähige Zentrifugen schleudern Gefäße etwa 60.000 Mal pro Minute herum. Dabei können sie das 250.000-Fache der Erdschwerkraft erreichen. Zusatzstoffe wie Glycerol oder Saccherose intensivieren den Grad der Trennung beim Zentrifugieren und erzeugen klarere, farbintensivere Flüssigkeiten.

Gefrierfiltration
Noch besser geklärt werden können abgeseihte Fonds, Saucen und Pürees durch Gefrieren in Kombination mit einem Geliermittel wie Gelatine oder Agar. Dabei werden die konzentrierende Wirkung des Gefrierens und die netzähnliche molekulare Struktur eines Gels genutzt, da es sich fast wie ein Filter mit mikroskopisch kleiner Maschenweite verhält. Dieser Effekt gelingt, indem das mit Gelatine vermengte Filtergut eingefroren wird. Beim langsamen Auftauen in einem Durchschlag über einer Schüssel im Kühlschrank ist die Temperatur niedrig genug, um das Netz der Gelatinemoleküle intakt zu halten, aber hoch genug, dass die Eiskristalle langsam tauen. Das Wasser tropft also durch das Gelatinenetz, wäscht dabei eingeschlossene lösliche Zucker- und Geschmacks-partikel aus. Die Mischung der am Anfang ablaufenden Flüssigkeit hat eine wesentlich höhere Geschmackskonzentration als die Flüssigkeit, die später abläuft. So kann die gewünschte Intensität gewählt und verwendet werden. Nachteil der Gefrierfiltration: Sie erfordert Zeit und eine genaue Vorausplanung, ist nicht ideal für empfindliche Flüssigkeiten und braucht viel Platz. Agar, ein Geliermittel aus Algen, ist ein guter Ersatz für Gefrierfiltration, da der Gefrierschritt entfällt, indem die zu filtrierende Flüssigkeit in dünnes Gel mit starker Trennwirkung umgewandelt wird.

Konzentration-Extremes Aroma
Konzentration: Extremes Aroma

Um ein intensiveres Aroma bei Säften, Jus oder Brühen zu erhalten, wird überschüssige Flüssigkeit aus den Nahrungsmitteln entfernt. Die Möglichkeiten reichen von klassischem Köcheln auf dem Herd bis zu kostspieligen Geräten wie der Rotationsverdampfung oder Vakuumkonzentration. Meistens ist es zu viel Wasser, manchmal auch Alkohol. Traditionell erhöhen Köche den Geschmack eines Fonds oder einer Sauce durch Reduktion auf dem Herd, also durch langes Köcheln.
Nachteil dieser Methode: Flüchtige Aromastoffe verdampfen oder werden durch die Wärme verändert. Neue Methoden verringern oder vermeiden diese Probleme. Ein Trick zur Intensivierung des Geschmacks besteht darin, die Flüssigkeit so zu verdampfen, dass der Topf kühl genug bleibt, sodass die Aromaverbindungen nicht abgebaut werden.

Vakuumreduktion
Die Aromen zu erhalten, gelingt relativ einfach mit der Vakuumverdampfung. Experimentieren kann man mit der kostengünstigen Vakuumreduktionstechnik, indem man ein einfaches Saugvakuumsystem verwendet. Hierzu benötigt man lediglich eine Heizplatte, einen dickwandigen Erlenmeyerkolben mit einem Ausgang am Hals für den Anschluss eines Gummischlauchs und eine Wasserstrahlpumpe, eine motorisierte Pumpe oder eine andere Vakuumpumpe, die mit dem anderen Schlauchende verbunden wird. Der Trick bei der Vakuumreduktion: Durch die Absenkung des Drucks im Kolben wird der Siedepunkt des Wassers heruntergesetzt. Vorteil der Vakuumverdampfung: Wärmeempfindliche Aromen werden bewahrt, allerdings werden hier auch viele der flüchtigen Stoffe, die Aromaträger sind, entfernt. Durch das Konzentrieren bei der Vakuumdestillation ist es allerdings möglich, die verdampften Aromastoffe einzufangen und sie in die konzentrierte Flüssigkeit zurückzuführen.

Rotationsverdampfung
Einen Schritt weiter geht der Rotationsverdampfer, der eigentlich in der Biologie oder Chemie zum Einsatz kommt. Er ist leistungsfähiger, aber auch kostspieliger und fängt preislich bei 2500 Euro an. Zweck eines Rotationsverdampfers ist es, Flüssigkeiten mit unterschiedlichen Siedepunkten zu trennen. Hier kann auch bei niedrigen Temperaturen und niedrigem Druck gearbeitet werden, so kann ein flüchtiger Stoff entfernt und als Konzentrat konserviert werden wie bei der Destillation von Spirituosen.
Ein Rotationsverdampfer besteht aus einem ballonförmigen Verdampfungskolben, der in eine Halterung gespannt und gedreht wird, um die Verdampfung der Flüssigkeit zu beschleunigen. Beim Einsatz in der Küche gibt man die zu destillierende Flüssigkeitsmischung in die große ballonförmige Flasche, ein Wasserbad erwärmt die Mischung auf eine geregelte Temperatur von 20 bis 100 Grad Celsius, während ein Elektromotor die Flasche dreht. Der Hals des Kolbens ist durch eine Vakuumdichtung mit einem Kondensator verbunden, der Dampf wird über gewundene Rohre gekühlt, so kondensiert er in einer Flüssigkeit.

Vertreter der Modernist Cuisine wie Heston Blumenthal sind Pioniere, wenn es um die Nutzung der Rotationsverdampfung für kulinarische Zwecke geht. Ein Beispiel ist Blumenthals destilliertes ätherisches Rosmarin-Öl. Damit wollte er seinen Speisen das Geruchserlebnis eines frischen Rosmarinfelds an einem Sommertag verleihen.
Weitere Methoden sind die Gefrierkonzentration und die Umkehrosmose. Bei der Gefrierkonzentration werden so viele Eiskristalle wie möglich erzeugt, um dann die nicht gefrorene Flüssigkeit abzugießen. Dafür müssen die gelösten Stoffe einen niedrigeren Gefrierpunkt haben als das reine Wasser. Allerdings sind bei dieser Methode der Konzentrationsgrad und die Reinheit der Essenz sehr eingeschränkt. Eine Technik mit Potenzial, die aus der Wasseraufbereitung und Weinherstellung übernommen wurde, ist die Umkehrosmose, für die allerdings noch keine kommerziellen Geräte verfügbar sind, um die Prozesse zu vereinfachen. Das Gerät nutzt die Funktion einer halb durchlässigen Membran, die Wasser passieren lässt, jedoch nicht die Aromastoffe, die so erhalten bleiben.

Cryogenik-Gefrieren, was das Zeug hält
Cryogenik: Gefrieren, was das Zeug hält

Kochen durch Wärmeentzug gehört längst zu den Standardtechniken der gehobenen Küche, ihre Faszination verloren hat die Cryotechnik dennoch nicht und lädt zum Experimentieren ein. Hauptwerkzeuge sind Cryogene – am bekanntesten und meisten verwendet: Flüssigstickstoff. Mit ihm lassen sich riesige Temperatur-unterschiede von mehr als 200 Grad Celsius erzielen, da das Element seinen Siedepunkt bei –196 Grad Celsius und den Gefrierpunkt bei knapp unter –210 Grad Celsius hat.

Kochen mit Flüssigstickstoff
Stickstoff ermöglicht neue fantastische Kochtechniken wie Cryopochieren, Cryoreiben, Cryopulverisieren, Cryoformen oder Cryozerschmettern, die in der modernistischen Küche neue Geschmackserlebnisse schaffen, die Wahrnehmung von Speisen neu beleben oder auch Arbeitsschritte erleichtern. So lassen sich etwa Austern, Muscheln oder Nüsse nach dem Eintauchen in Stickstoff mühelos öffnen. Eine Banane oder einen Steinpilz hobeln, eigentlich undenkbar, die Cryogenik macht es möglich. So lange in Flüssigstickstoff getaucht, bis die Zutat komplett durchgefroren ist, lässt sie sich anschließend perfekt reiben. All diese Tricks und Kniffe der Spitzengastronomie hat der leidenschaftliche Food-Scientist Nathan Myhrvold in seiner Küchenbibel „The Modernist Cusine“ der Allgemeinheit zugänglich gemacht.
Die Eigenschaften von Flüssigstickstoff können auch beim herkömmlichen Sous-vide-Garen oder Blanchieren genutzt werden. Ein Schweinebraten, der sous-vide-gegart wurde, kann kurz von außen gefroren und dann bei sehr großer Hitze angebraten werden. So erhält man eine krosse Schweinebratenkruste, ohne dass sich das Fleisch darunter verändert – oder mit Flüssigstickstoff gefrorenes Gemüse wie Spargel lässt sich optimal blanchieren. Was beachtet werden muss: Dichte Nahrungsmittel nach dem Eintauchen in Flüssigstickstoff nie sofort servieren, da Finger oder Lippen wie im tiefsten Winter daran festkleben und Erfrierungen verursacht werden können.

Karbonisieren
Kohlendioxid ist hier das Zauberwort, das bei –78 Grad Celsius zu einem Feststoff wird, den man Trockeneis nennt und der ebenfalls zu den Cryogenen zählt. Seinen Spezialeffekt erzielt das wasserlösliche Kohlendioxid beim Karbonisieren, einem Prozess, bei dem Nahrungsmittel mit Kohlensäure versetzt werden. Bekannt bei kohlensäurehaltigen Getränken, können überraschende Effekte erzielt werden, etwa bei karbonisierten Bananen, die kalt serviert wie ein festes, ungewohnt prickelndes Bananensoda schmecken. Experimentieren lohnt sich also auch mit Kohlendioxid, der gewünschte Geschmackseffekt funktioniert allerdings nicht bei allen Nahrungsmitteln. Bei Erdbeeren oder Gurken etwa verbindet man Kohlensäure mit der Vorstellung von Gären oder Verdorbenheit.

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