Robocop auf Rebenjagd: Wie Roboter den Weinbau revolutionieren
Schon seit vielen Jahren sind Erntemaschinen und andere Hilfsgeräte im Weinbau Standard. Vor allem in ebenen Lagen. Doch sobald die Weinhänge steiler werden, müssen nach wie vor Menschen selbst ran. Das kostet nicht nur Zeit und Geld, sondern ist mitunter auch lebensgefährlich. Daher suchen Wissenschaftler und Winzer gemeinsam nach Roboterlösungen, die das Winzerleben erleichtern. Viele Ideen stehen im Raum, echte Lösungen aber sogar kurz vor der Marktreife. Diese basieren vor allem aus einem Wechselspiel zwischen Drohnen und Bodenrobotern.
Schon seit vielen Jahren sind Erntemaschinen und andere Hilfsgeräte im Weinbau Standard. Vor allem in ebenen Lagen. Doch sobald die Weinhänge steiler werden, müssen nach wie vor Menschen selbst ran. Das kostet nicht nur Zeit und Geld, sondern ist mitunter auch lebensgefährlich. Daher suchen Wissenschaftler und Winzer gemeinsam nach Roboterlösungen, die das Winzerleben erleichtern. Viele Ideen stehen im Raum, echte Lösungen aber sogar kurz vor der Marktreife. Diese basieren vor allem aus einem Wechselspiel zwischen Drohnen und Bodenrobotern.
Bei 49 Grad wird die Sache immer prekär. Ganz egal, ob es sich hierbei um eine Temperaturangabe handelt oder um die Neigungsangabe eines Weinbergs. Und wenn die Sache mit dem Klimawandel so weitergeht, kann es sein, dass sich Bernhard Malli bald mit beiden Gratwanderungen auseinandersetzen muss: Der südsteirische Winzer betreibt das steilste Weingut Österreichs. Die 49-Grad-Hänge seiner Kitzecker Top-Lagen sind somit steiler als die gefürchtetste Skiabfahrt, die Streif.
„Wir fragen uns schon immer wieder: Wieviel Wein ist denn ein Winzerleben wert?“
Bernhard Malli hat schon mehrfach dem Tod ins Auge geblickt
Vereinfacht ausgedrückt: Der 43-Jährige riskiert mit jeder Traktorfahrt sein Leben. „Wir fragen uns schon immer wieder: Wieviel Wein ist denn ein Winzerleben wert?“, sagt er mit einem halblustigen Augenzwinkern und zieht gleichzeitig den nächsten Skivergleich: „Wir arbeiten im Sommer mit dem Traktor immer mit Schneeketten und solchen Seilwinden, die sonst nur Pistengeräte verwenden, um sich hochzuarbeiten.“ Doch all diese Mühen und Gefahren könnten schon sehr bald der Vergangenheit angehören: Roboter und Drohnen nahen als hochtechnologische Superhelden.
Roboterarme mit Weinlese-Kompetenz
Gerade was die Weinernte betrifft, könnte der kürzlich vorgestellte „Dobot“ des chinesischen Unternehmens Shenzhen Yuejiang Technology Co. einen Meilenstein setzen. Das Gerät ist im Grunde nicht anderes als ein auf einer Raupe montierter und somit supergeländegängiger Roboterarm, der mittels Lasertechnologie erkennt, welche Trauben reif sind. Diese pickt er selbstständig heraus, pflückt sie und bringt am Ende einen gefüllten Erntekorb nach Hause.
Inwieweit diese Technologie schon so weit ist, dass sie dem menschlichen Auge und Fachwissen in Sachen Reifeerkennung und Lesekönnen ebenbürtig ist, darf zwar zurecht bezweifelt werden, doch der „Dobot“ steht für eine wegweisende Vision, deren Vorläufer im Weinbau sehr wohl schon angekommen sind. So weiß Bernhard Malli etwa von Drohnen zu berichten, die bereits die Spritzarbeiten erledigen können. „Das allein würde bedeuten, dass wir acht bis neun Mal seltener physisch in die steilen Weinhänge müssten.“ Allein: Selbst wenn er die Technologie zur Verfügung hätte, in Österreich gibt es noch keine Zulassung für derartige Bewirtschaftungsmethoden.
Ein toter Winzer pro Jahr
In Deutschland geht man die Sache bereits wesentlich offensiver an. Das liegt vielleicht auch daran, dass man hierzulande über alarmierendes Zahlenmaterial verfügt: „Jährlich stirbt in deutschen Steillagen im Schnitt ein Mensch“, sagt Hans-Peter Schwarz, Agrarwissenschaftler der Hochschule Geisenheim in Hessen. Er sieht in Sachen Drohnen und Roboter aber nicht nur aus Sicherheitsgründen ein gigantisches Potenzial für die Winzer. So würde mit derart smarten Systemen dem immer problematischeren Mangel an Fach- und Hilfskräften genauso entgegengewirkt werden. Zudem würde die Überwachung der Weingärten mit der Hilfe von KI und Robotik nicht mehr von Stichproben abhängen, sondern flächendeckend passieren.
„In Drohnen und Robotern sehe ich viel Potenzial!“
Hans-Peter Schwarz, Agrarwissenschaftler
Genau das ist das Fachgebiet von Dieter Novotny. Der Koblenzer ist Geschäftsführer des innovativen Unternehmens aeroDCS und weiß, welche Bausteine nötig sind, um moderne Technik mit realem Nutzen so zielgerichtet wie möglich einsetzen zu können. „Unser Fokus liegt darauf, möglichst präzise Daten zu sammeln, um aus diesen Rückschlüsse zu ziehen und in weiterer Folge autonome Geräte wie Ernte-, Laub- oder Spritzroboter gezielt zu steuern.“ Daher ist in seinen Augen das Thema Luftaufklärung das wichtigste. Seine Drohnen erfassen mittels unterschiedlicher Systeme den jeweiligen Weinberg von oben und analysieren jeden einzelnen Rebstock.
Die gesammelten Daten lassen für die Winzer faszinierende Rückschlüsse zu: Die Gesundheit der einzelnen Reben und des gesamten Weinbergs wird genauso evaluiert wie die Höhe des Ertrags pro Stock, die aktuelle Wasserversorgung – und natürlich ein Befall von Schädlingen, Pilzen oder Krankheiten. Anhand dieser Erkenntnisse können Winzer ihre Tage in den Gefahrenlagen reduzieren und vor allem sehr gezielt gegen Probleme vorgehen. „Mittels Algorithmen werden wir in Zukunft sogar Voraussagen, was Wuchs, Ernte und möglichen Krankheitsbefall betrifft, treffen können“, ist sich Novotny sicher.
„Mittels Algorithmen werden wir Erntevolumen und Krankheiten voraussagen können!“
Drohnenexperte Dieter Novotny über die Zukunft
Und im Idealfall werden die somit als notwendig definierten Arbeitsschritte eben nicht mehr von Menschenhand ausgeführt, sondern von einem auf die jeweilige Arbeit spezialisierten Roboter. Novotny: „Nachdem wir jeden Weinstock als eigenen Datenpunkt erfassen, können so Geräte am Boden hochpräzise ans Ziel gesteuert werden.“ Möglichkeiten, die derzeit bereits in der Realität getestet werden. „Die Winzer, mit denen wir arbeiten, können es gar nicht erwarten, bis diese Optionen großflächig ausgerollt werden“, weiß der Experte. Und der steirische Extremwinzer Bernhard Malli unterstreicht diese Wahrnehmung: „Sobald es hier rechtlich gedeckte und finanzierbare Möglichkeiten gibt, bin ich sofort dabei!“
Wie viel ist ein Winzerleben Wert?
Stichwort Finanzierung: Billig sind solche Systeme freilich (noch) nicht. Dennoch ist man bei aeroDCS davon überzeugt, dass schon bald Businessmodelle erwachsen werden, die für Winzer leistbar sind. So werden wohl einerseits auf derartige Weingarten-Überwachungen spezialisierte Dienstleister ihre Expertise tageweise anbieten, andererseits aber größere Betriebe sich selbst das nötige Equipment leisten. „Die Vorteile und das damit mögliche Einsparungspotenzial sind so groß, dass ich diese Investitionen für viele schlichtweg rechnen werden“, ist sich Novotny sicher.
Bis das aber Realität wird, werden noch ein paar Jahrgänge ins Land ziehen, in denen Bernhard Malli mit Schneeketten und Pistenseil seine Reben von Hand hegen und pflegen wird. Bald aber schon wird er wissen, wieviel so ein Winzerleben wert ist – in diesem Fall kann man nur hoffen, dass er es sich wird leisten können.