Schwedenbombe
Fotos: Fäviken Magasinet, Erik Olsson
Das Restaurant ist so raubeinig wie die Zutaten und der Koch: Fußboden, Wände und Decken sind aus rohem Holz, der Bart struppig und die Haare strähnig. Die Küche: nichts für schwache Nerven und doch extrem angesagt.
Fäviken, das ist ein 8400 Hektar großes Anwesen nahe der Skiregion Åre, also wirklich da, wo sich Elch und Bär Gute Nacht sagen. Und ausgerechnet hier beträgt die Wartezeit auf einen der zwölf Sitzplätze im Restaurant Fäviken Magasinet mindestens drei Monate. Der erst 27 Jahre alte Küchenchef Magnus Nilsson hat es nämlich bereits auf sämtliche Top-Gastronomielisten geschafft. Zu Recht, denn was der bärtige Wikinger-Hüne auf die Teller bringt, ist saisonal und so regional, wie es nur möglich ist: Etwa 70 Prozent der Zutaten stammen…
Fotos: Fäviken Magasinet, Erik Olsson
Das Restaurant ist so raubeinig wie die Zutaten und der Koch: Fußboden, Wände und Decken sind aus rohem Holz, der Bart struppig und die Haare strähnig. Die Küche: nichts für schwache Nerven und doch extrem angesagt.
Fäviken, das ist ein 8400 Hektar großes Anwesen nahe der Skiregion Åre, also wirklich da, wo sich Elch und Bär Gute Nacht sagen. Und ausgerechnet hier beträgt die Wartezeit auf einen der zwölf Sitzplätze im Restaurant Fäviken Magasinet mindestens drei Monate. Der erst 27 Jahre alte Küchenchef Magnus Nilsson hat es nämlich bereits auf sämtliche Top-Gastronomielisten geschafft. Zu Recht, denn was der bärtige Wikinger-Hüne auf die Teller bringt, ist saisonal und so regional, wie es nur möglich ist: Etwa 70 Prozent der Zutaten stammen von der eigenen Farm, manches pflückt der Küchenchef eigens in den umliegenden Wäldern und der Rest hat auch keine wirklich weiten Wege hinter sich.
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Seine Speisen wie der leicht gesalzene Rogen der Wildforelle in einem knusprigen Schälchen aus Schweineblut, knackige Rentierflechten oder rohes Elchfleisch wirken oft barbarisch, erweisen sich allerdings als Produkte höchster Kochkunst. „Bei meinen Gerichten ist offensichtlich, was das ist, das da vor einem auf dem Teller liegt“, beschreibt Nilsson seinen Zugang zur modernen Küche. Das unterscheidet seinen Stil von dem, den er in Frankreich bei Pascal Barbot gelernt hat. „Damals waren sämtliche Produkte sofort und in bestmöglicher Qualität verfügbar, das war einfach. Da mussten die Speisen kompliziert und mit sehr vielen Zutaten zubereitet werden, um besonders zu sein.“
Die Not zur Tugend machen
Heute entfacht gerade das Fehlen vieler Produkte durch die saisonalen Schwankungen Nilssons Kreativität. „Die Produkte hier und ihre Qualität haben mich überhaupt erst wieder zum Kochen gebracht“, sagt der innovative Küchenchef, der nach seiner Rückkehr aus Paris eine Sommelierausbildung machte und Weinjournalist werden wollte.
Von Trends hält Nilsson wenig: „Wir servieren, was wir wollen und wann wir wollen.“ Und dafür lässt sich der findige Schwede einiges einfallen: Die mit Gras überwachsene Erhebung gleich bei der Eingangstür zum Restaurant beispielsweise erinnert an ein Hügelgrab. Tatsächlich liegen dort Kohlköpfe und Artischocken in einem Sandhaufen verscharrt. Karotten, Radieschen und Rüben blitzen aus mit Erde gefüllten Plastikbehältern. „Diese Gemüsearten halten sich hier teilweise bis zu 12 Monate“, erzählt Nilsson. Außerdem legt er massig Vorräte an: Denn frisches Obst und Gemüse aus dem eigenen pestizid- und kunstdüngerfreien Garten, der jährlich 3000 Kilo und damit genug für das Restaurant produziert, gibt es wegen der langen Kälteperiode nur während weniger Monate. Der Frühling beginnt in Fäviken nämlich erst im Mai. Dass das Restaurant dennoch fast autonom existieren kann, verdankt es dem glücklichen Zufall, dass hier ein Meister am Werk ist.
Bereits seit November 2008 arbeitet Nilsson mit den Sinnen statt mit Hochtechnologie: Gekocht wird zwischen den Gängen, mit direkter Hitze, meistens über einem offenen Kohlefeuer. Thermometer? Für den langhaarigen Kochrevoluzzer unvorstellbar: „Ein Stück Fleisch in einen Sous-vide-Beutel stecken und ihn im Wasserbad treiben lassen? Das ist nichts für mich! Es macht keinen Spaß, es riecht nach nichts und es sieht nicht gut aus.“ Geht während des Menüs ein Gang schief, wird er weggelassen, ist eine Zutat nicht mehr vorhanden, gibt es ganz einfach etwas anderes.
In Fäviken sät, sammelt und erntet der Chef aber nicht nur selbst, er tötet auch. „Die Jagd liegt mir im Blut“, sagt der 27-jährige Vollblut-Naturbursche und schießt während der Jagdsaison in den umliegenden Wäldern Hasen, Wildvögel und Elche. Auch viele Methoden zur Haltbarmachung von Lebensmitteln kennt er von früher, vom Bauernhof der Großeltern: das Pasteurisieren und Einlegen von Gemüse, Beeren und Blüten in Essig oder Molke, Fermentieren in Salzlake, Räuchern und Dörren von Fleisch und Fisch, das Trocknen von Kräutern und Pilzen. Im kalten Schweden seit jeher wichtiger Teil der Esskultur. „Vieles haben wir uns auch selbst beigebracht, nach dem Trial-and-Error-Prinzip“, sagt Magnus Nilsson.
Seine Gerichte schmecken wie ein wachrüttelnder Schlag mit dem Paddel ins Gesicht. Sogar René Redzepi aus dem Kopenhagener Noma, aktuell bestes Restaurant der Welt, bezeichnet den Wikinger Magnus Nilsson bereits öffentlich als seinen Nachfolger. Dieser begegnet dem Hype um seine Küche aber relativ gelassen: „Wie mein Großvater schon sagte: echtes Essen für echte Männer.“ Auf jeden Fall nichts für Feiglinge!
Fäviken Magasinet
Fäviken 216
SE-830 05 Järpen
Tel.: +46 (0) 647/401 77
www.favikenmagasinet.se
Nordlicht
Die fabelhafte Welt des Magnus Nilsson
Fäviken
Das 8400 Hektar große Anwesen der Familie Brummer in Järpen mit Eigenjagd, Fischerei, Wäldereien, Gemüsegärten und Viehställen.
Fäviken Magasinet
Das in das Fäviken-Gut eingebundene Restaurant ist in einem 1745 errichteten Getreidespeicher untergebracht. Insgesamt vier Köche begeistern maximal 16 Gäste pro Abend. Das Menü kostet 135 Euro ohne Weinbegleitung.
Er Selbst
Der eigenwillige Koch lebt privat mit seiner Lebensgefährtin Tove, seinen zwei Kindern Arne und Ella, Hund Krut und Katze Mr. Nilsson in Mörsil, Schweden.