Inspiration-Talks: Frank Rosin
Frei Schnauze
Der Gourmet-Autodidakt Frank Rosin zählt zu den erfolgreichsten Köchen Deutschlands und bringt in seinem zweifach besternten Fine-Dine-Mekka Rosin in Dorsten ein rares Kulinarik-Kunststück zustande: Er macht Profit. Wie sich der Fernsehstar ohne großen Lehrmeister ganz nach oben kochte, was in der Branche falsch läuft und wie man mit einem Sternerestaurant schwarze Zahlen schreibt, erklärt der radikale Querdenker im Exklusivinterview.
Auch wenn der Standort Dorsten für viele hoch qualifizierte Mitarbeiter nicht wirklich attraktiv scheint, trotzt man hier dem Fachkräftemangel und du hast ein perfekt funktionierendes Team, das teilweise seit über 20 Jahren hier arbeitet. Was ist euer Erfolgsgeheimnis?
Frank Rosin: Ich habe sehr schnell gelernt, dass jemand, der kreativ arbeiten und jeden Tag dieselbe Leistung abliefern muss, praktisch in keiner Branche der Welt funktioniert. Doch in unserer Branche wird das irgendwo erwartet. Wenn man das von seinen Mitarbeitern verlangt, muss man ihnen auch eine dementsprechende Fläche dafür bieten. Das bedeutet Ruhe, zeitgemäßes Arbeiten und nicht zu vergessen der sozialen Struktur entsprechende Löhne.
Frank Rosin wurde 1966 in Dorsten als Sohn eines Großhändlers für Gastronomiebedarf geboren.
Frei Schnauze
Der Gourmet-Autodidakt Frank Rosin zählt zu den erfolgreichsten Köchen Deutschlands und bringt in seinem zweifach besternten Fine-Dine-Mekka Rosin in Dorsten ein rares Kulinarik-Kunststück zustande: Er macht Profit. Wie sich der Fernsehstar ohne großen Lehrmeister ganz nach oben kochte, was in der Branche falsch läuft und wie man mit einem Sternerestaurant schwarze Zahlen schreibt, erklärt der radikale Querdenker im Exklusivinterview.
Auch wenn der Standort Dorsten für viele hoch qualifizierte Mitarbeiter nicht wirklich attraktiv scheint, trotzt man hier dem Fachkräftemangel und du hast ein perfekt funktionierendes Team, das teilweise seit über 20 Jahren hier arbeitet. Was ist euer Erfolgsgeheimnis?
Frank Rosin: Ich habe sehr schnell gelernt, dass jemand, der kreativ arbeiten und jeden Tag dieselbe Leistung abliefern muss, praktisch in keiner Branche der Welt funktioniert. Doch in unserer Branche wird das irgendwo erwartet. Wenn man das von seinen Mitarbeitern verlangt, muss man ihnen auch eine dementsprechende Fläche dafür bieten. Das bedeutet Ruhe, zeitgemäßes Arbeiten und nicht zu vergessen der sozialen Struktur entsprechende Löhne.
Ist unterm Strich die gute Bezahlung die Lösung, gute Mitarbeiter langfristig zu binden?
Rosin: Es geht einerseits um die gute Bezahlung, es geht aber auch um Planungssicherheit. Was kann ich meinen Mitarbeitern in Zukunft bieten? Was kann mein Mitarbeiter für sich privat planen? Man sagt ja, dass die jungen Leute heute nicht mehr arbeiten wollen. Das stimmt doch nicht. Sie wollen nur ordentlich behandelt werden, sie wollen eine ordentliche Grundlage haben und sie wollen auf Augenhöhe wahrgenommen werden. Zu meiner Zeit war das Gegenteil der Fall. Der Koch war der unterbezahlte Depp und Prügelknabe in der Küche – bezahlt mit Schwarzgeld und in Form von 6-Tage-Woche und 14-Stunden-Tagen ausgebeutet. Überspitzt formuliert könnte man sagen, dass die Gastronomie der letzten 50 Jahre auf Sklaventum aufgebaut wurde, und jetzt kommt die Rechnung. Jetzt kommt die zivilisierte Welt, die sagt, ich mach das nur mehr mit, wenn es ein gastronomisches Silicon Valley gibt. Sprich, eine Annäherung von natürlichem Wissensniveau – da geht es nicht nur um Fachwissen, sondern auch um soziales Wissen, kosmopolitisches Denken und den richtigen Umgang.
Frank Rosin wurde 1966 in Dorsten als Sohn eines Großhändlers für Gastronomiebedarf geboren.
Du hast die Freiheit, nicht mehr selbst täglich in der Küche arbeiten zu müssen. Ist die Doppelbelastung Koch/Gastronom heute zu hoch? Rosin: Ich denke, dass es in der Vergangenheit ein Fehler war, dass der Küchenchef in seiner Küche geklebt hat. Kein Fußballstürmer muss nicht auch mal in der Abwehr aushelfen. Es wurde unternehmerisch nicht begriffen, eine Mehrverwertung des Ganzen umzusetzen. Das bedeutet, man hat nicht nur abends seine 40 Gäste im Sternerestaurant, sondern man muss sich auch mit seiner Marke beschäftigen. Wofür stehe ich eigentlich? Was hat meine Marke für eine Aussage? Da geht es nicht um Regionalität, Jahreszeiten und das ganze Pipapo. Morgen ist Kohl modern, ein Jahr später wieder der Schweinebraten. Es geht darum, sich selbst nicht irgendwelchen Trends und Hypes zu unterwerfen, sondern selbst zu einer authentischen Marke zu werden.
Der Koch war der unterbezahlte Depp und Prügelknabe in der Küche
Frank Rosin über die „guten alten Zeiten“
Ein Schritt, der dir selbst äußerst erfolgreich gelungen ist. War dieser Weg bewusst gewählt?
Rosin: Dadurch, dass ich mich mit 24 selbstständig gemacht habe, habe ich einen natürlichen Überlebenstrieb entwickelt. Darum existierte in meinem Kopf auch niemals der Gedanke des Versagens. Dass ich mich auch kulinarisch so weiterentwickelt habe, war eine natürliche Prozedur. Ich hab mich eher auf den ökonomischen Part konzentriert. Dass mein Kochstil irgendwann so honoriert wurde, hat mir gezeigt, dass bei mir vieles im Unterbewusstsein stattfindet und sich dadurch meine Authentizität ausgeprägt hat.
Du hast schon vor vielen Jahren die mächtigen Restaurantführer kritisiert. Wird es Zeit, dass man sich von diesem Damoklesschwert befreit?
Rosin: Ich vergleiche das gerne mit den Olympischen Spielen. Hier durften anfangs nur Amateure mitwirken, die diesem Event eine ganz bestimmte Wertigkeit verliehen haben. Heute dürfen auch hochbezahlte Profisportler ran, die den Wettbewerb grundlegend verändern. Auf Restaurantführer umgemünzt, muss auch hier ein Umdenken stattfinden, denn die Branche hat sich dahin gehend natürlich verändert. Es sollten nicht nur Kriterien wie Essen, Atmosphäre, netter Kellner und so weiter in Betracht gezogen werden, sondern auch der ökonomische Aspekt und vor allem die Ausbildungsmöglichkeiten eines Betriebs. Die Medialisierung dieser Branche war eine große Chance, mittlerweile wurde daraus eine ganz schreckliche Situation. Viele Köche wollten sich mit einem Foodfoto auf Instagram zum Medienstar hochstilisieren und haben dabei das eigentliche Handwerk und vor allem den eigenen Stil vernachlässigt. Restaurantführer sind wichtig für unsere Branche, doch: Nur ein volles Restaurant ist ein gutes Restaurant.
Überspitzt formuliert könnte man sagen, dass die Gastronomie der letzten 50 Jahre auf Sklaventum aufgebaut wurde
Frank Rosin über die Ausbeute in der Branche
Viele Betriebe in der Spitzengastronomie kämpfen täglich ums Überleben, obwohl sie eigentlich die Benchmark der Branche sind.
Rosin: Es wurde in der Vergangenheit vielfach mit einer falschen Eitelkeit gearbeitet. Dazu kommt, dass viele Unternehmer in der Branche keine guten Unternehmer waren und ihren Mitarbeitern keine wirklichen Zielvorgaben gemacht haben. Sprich, richtig zu kalkulieren und dementsprechend ökonomisch zu arbeiten. Das beste Beispiel ist zu sagen: „Den Preis kann ich nicht nehmen, den zahlt hier keiner.“ Aber es geht. Wenn Porsche den neuen Turbo rausbringt, dann sagen die ja auch nicht, wir verkaufen den erst mal für den Preis eines Golfs, sonst werden wir den gar nicht los. Ich glaube, man muss sich bewusst sein, dass Wert auch für Wert angeboten werden kann. Wir leben in einer neuen sozialen Generation, wo wir eben sozial verantwortlich denken. Wir haben den Mindestlohn, es gibt kein Schwarzgeld mehr, Arbeitszeitenerfassung und so weiter. Und das ist auch richtig so. Aber damit die Betriebe sich das auch leisten können, müssen die Preise um mindestens 30 Prozent angehoben werden.
Rote Beete mit Kaffee
Kraft deines Amtes als TV-Restaurant-Kritiker hast du in den letzten Jahren vielen Betriebe unter die Arme gegriffen. Was sind deiner Erfahrung nach die Klassiker unter den Dingen, die falsch laufen?
Rosin: Wir machen das ja seit zehn Jahren, gehen in die zwölfte Staffel und es gibt tatsächlich ein ganz einhelliges Merkmal und das ist die fachliche Inkompetenz. Das liegt daran, dass man in unserer Branche ein Unternehmen aufbauen kann, ohne die nötige Ausbildung oder das Wissen mitbringen zu müssen. Du musst Frisörmeister, Bäckermeister, sogar Bademeister sein, aber dieses komplexe und vielschichtige Unterfangen Gastronomie, dafür brauchst du keinen Abschluss. Und das ist ein richtiges Problem. Ich will aber auf keinen Fall die ganze Gastronomie generell verhaften, weil es natürlich auf der anderen Seite ganz viele wunderbare Kollegen gibt, die einen fantastischen Job machen – aber das ist unterm Strich auch meine Erfahrung und ich mache das schließlich seit über 20 Jahren. Immer wieder wird darüber diskutiert, dass die Politik endlich die Auflagen in der Gastronomie lockern muss. Führt daran ein Weg vorbei? Rosin: Diese Ausrede ist doch lächerlich, weil sie unternehmerisch derart begrenzt ist. Viele Gastronomen sagen speziell im Zuge der Stundenerfassung, wenn wir ein Event haben, lässt sich das nicht umsetzen. Dann muss ich eben mit einem 2-Schichten-Plan arbeiten und das dem Kunden auch so erklären. Wenn ich über eine Arbeitszeitenregelung hinaus arbeite, dann entstehen einfach höhere Personalkosten. Warum wird das nicht gemacht? Weil wir auf einem Ausbildungsniveau in unserer Branche sind, das immer noch aus den 60er-Jahren kommt. Ich kann nicht stur nach veralteten Formeln kalkulieren. Da verstehe ich auch nicht, warum der Hotel- und Gaststättenverband dieses verkrustete System der heutigen Zeit nicht anpasst. Die Gastronomie ist eines der wichtigsten Bruttoinlandsprodukte in ganz Europa und sie stagniert. Die wenigen erfolgreichen Betriebe sind deshalb so erfolgreich, weil sie von Ökonomen und nicht von Gastronomen geführt werden. Die kalkulieren ihre Betriebe knallhart und holen sich einen Gastronomen, der das für sie umsetzt. Das heißt, wir brauchen eine ökonomische Ausbildung. Wir reden hier von mittelständischen Unternehmen und nicht von der Eckkneipe, wo Mutti hinten kocht, Vati vorne zapft, Oma am Wochenende spült und die Tante das Kuchenbuffet am Sonntag schmeißt. Die Zeiten sind vorbei.
Wie müsste sich die Ausbildung ändern, um diesem Generationensprung gerecht zu werden?
Rosin: Menschenführung, Kalkulation, betriebswirtschaftliches Know-how und darüber hinaus vermitteln, dass Gastronomie Umgang mit Menschen bedeutet. Heute ist jeder irgendwie Kosmopolit und ich denke, dass 80 Prozent der Gäste mehr Ahnung von Gastronomie haben als die Gastronomen selbst. Warum? Weil die Köche in ihrer Kneipe gefangen sind und nicht rauskommen. Die Gäste bewegen sich viel mehr in der Szene. Ob im Urlaub, durch den Job, sie kommen, egal wo sie sind, mit Gastronomie in Berührung und dadurch steigt natürlich auch die Erwartungshaltung an einen Betrieb. Und auch das sollte zum Ausbildungsgegenstand werden: Ein guter Gastronom muss nicht nur ein guter Koch oder ein guter Korkenzieher sein, er muss sich auch mit Menschen verschiedener gesellschaftlicher Herkunft unterhalten können. Ein gutes Rezept macht noch kein gutes Essen. Es ist wie damals in Mathe eben eine Formel und man muss den Weg verstehen. Nicht ein gutes Stück Fleisch, ein edler Tropfen oder eine schöne Einrichtung machen die Atmosphäre, es sind die Menschen. Und dafür muss man sich die Zeit nehmen.
Menschen, die es wahrscheinlich in deinem Betrieb auch gibt, oder?
Rosin: Eines ist klar: Ohne meine Mitarbeiter wären das Restaurant und ich nichts. Meine Stammcrew Jochen Bauer, Oliver Engelke, unser Küchenchef, der seit über 20 Jahren dabei ist, Susanne Spies, eine der besten Sommelières Europas. Sie sind das Herz und die Seele und machen das Restaurant aus. Denn sie sind es, die meine Vision und meinen Spirit leben, produzieren, aber auch fortsetzen.
www.frankrosin.de