Pleitegeier
Foto: Werner Krug
Ende November 2012 bestätigte sich, was zuvor bereits wochenlang als offenes Geheimnis galt – die 2011 gegründete Amador AG, in der der deutsche 3-Sterne-Koch seine gastronomischen Aktivitäten im In- und Ausland zu bündeln versuchte, meldete Insolvenz an. Knapp sechs Wochen später treffen wir einen gut gelaunten Spitzenkoch, der mittlerweile wieder Alleinunternehmer ist. Ein Gespräch über mangelnde Flexibilität, zu hochtrabende Pläne, falsche Berater und die Zukunft des einzigen 3-Sterne-Restaurants Deutschlands ohne Großinvestor im Rücken.
Ohrfeigen geerntet.
Wenn ein 3-Sterne-Koch Insolvenz anmeldet, sorgt das naturgemäß für mächtiges Rauschen im Blätterwald. Wie lebt es sich als Spitzenkoch mit dem Label des Pleitegeiers am Revers?
Juan Amador: Natürlich war es kein leichter Schritt, mit dieser Information an die Öffentlichkeit zu gehen. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass…
Foto: Werner Krug
Ende November 2012 bestätigte sich, was zuvor bereits wochenlang als offenes Geheimnis galt – die 2011 gegründete Amador AG, in der der deutsche 3-Sterne-Koch seine gastronomischen Aktivitäten im In- und Ausland zu bündeln versuchte, meldete Insolvenz an. Knapp sechs Wochen später treffen wir einen gut gelaunten Spitzenkoch, der mittlerweile wieder Alleinunternehmer ist. Ein Gespräch über mangelnde Flexibilität, zu hochtrabende Pläne, falsche Berater und die Zukunft des einzigen 3-Sterne-Restaurants Deutschlands ohne Großinvestor im Rücken.
Ohrfeigen geerntet.
Wenn ein 3-Sterne-Koch Insolvenz anmeldet, sorgt das naturgemäß für mächtiges Rauschen im Blätterwald. Wie lebt es sich als Spitzenkoch mit dem Label des Pleitegeiers am Revers?
Juan Amador: Natürlich war es kein leichter Schritt, mit dieser Information an die Öffentlichkeit zu gehen. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass irgendjemand auf diesem Planeten gerne zugibt, insolvent zu sein. Aber ich bin angenehm überrascht von den Reaktionen, denn gerechnet habe ich mit dem Schlimmsten. Von den Gästen und von vielen Kollegen kamen vorwiegend positive Reaktionen. Diejenigen, die sich schon gefreut haben, dass der Amador jetzt endlich weg vom Fenster ist, muss ich enttäuschen: Es wird uns auch 2013 geben.
Das Insolvenzverfahren ist also abgeschlossen?
Amador: Wir haben nach der Verfahrenseröffnung im Dezember ein Weiterführungskonzept vorgelegt, das von der Insolvenzverwalterin und dem Gericht auch so abgesegnet wurde. Die Insolvenzverwalterin steht uns noch zur Seite und das Verfahren ist noch nicht komplett über die Bühne, aber das Gröbste haben wir hinter uns. Es ist sichergestellt, dass das Stammhaus in Mannheim bestehen bleibt.
Das klingt gar ein wenig einfach …
Amador: Was das Verfahren an sich angeht, ist es das ja auch, da nehmen die Dinge ihren vorgefertigten juristischen Lauf. Was sich abgesehen davon abspielt, ist eine andere Sache. Ich musste ja den Geschäftsbetrieb aus der Konkursmasse rauskaufen und wieder Geld in die Hand nehmen, um jetzt als alleiniger Geschäftsführer weitermachen zu können. Es gibt noch Kredite, die laufen, und strukturelle Veränderungen im Unternehmen, die in Angriff genommen werden müssen, um nicht mehr defizitär zu laufen.
Stichwort defizitär: Auch mit Ihrem ehemaligen Restaurant in Langen schrieben Sie tiefrote Zahlen, gut zwei Millionen Euro betrugen die Verbindlichkeiten damals. Müssen Sie sich nicht auch ein wenig den Vorwurf gefallen lassen, nicht wirtschaften zu können?
Amador: Gut kochen zu können alleine ist nicht genug, das ist die Kür. Die Pflicht besteht darin, damit auch Geld zu verdienen, und ich mache auch keinen Hehl daraus, dass da einige Dinge schiefgegangen sind. Dafür trage ich die Verantwortung. Wir haben aus Langen jede Menge Altlasten mit nach Mannheim geschleppt und das eine oder andere Projekt angestartet, ohne nachzudenken. Die Expansion der Marke Amador lief zu schnell und teilweise zu unkontrolliert ab. Und ich war wohl auch zu gutgläubig, vor allem bei der Wahl der Geschäftspartner und Berater. Ein Grund mehr, ab nun alleine weiterzumachen – als Unternehmergesellschaft anstelle einer GmbH oder AG.
Ein Blick in den Bundesanzeiger verrät, dass es kaum eine Unternehmensform gibt, die Sie noch nicht gewählt haben. Aber dass ein Sternekoch eine Aktiengesellschaft gründet, ist doch sehr ungewöhnlich.
Amador: Letztendlich ging es bei der Gründung der AG um Kapitalbeschaffung. Ich wollte die Firma nach dem Ende in Langen und dem Start in Mannheim finanziell wieder auf Kurs bringen. Gemeinsam mit den Partnern, mit denen ich die AG 2011 gegründet habe, wollten wir in Ruhe weitere Geschäftsfelder eröffnen, aber es ist schwierig, mit Verbindlichkeiten im Rücken Investoren zu finden. Ich will niemandem die Schuld in die Schuhe schieben, aber am Ende musste ich das Kind ganz alleine schaukeln. Irgendwann war es einfach zu viel des Guten und als ich gemerkt habe, dass es so nicht mehr weitergeht, haben wir den Insolvenzantrag gestellt.
Wenn ein 3-Sterner pleitegeht, ist klar, dass es nicht um ein paar Tausend Euro geht, die in der Kasse fehlen. Kommt einem angesichts so einer Krise nicht auch der Gedanke, die kostenaufwendige Sternegastronomie endgültig hinter sich zu lassen?
Amador: Für mich war das nie eine Option und ist es auch in Zukunft nicht. Der Tod der Sternegastronomie wird ja alle Jahre beschworen und das System an und für sich kritisiert. Aber ich kann nicht einen Michelin-Stern wollen und dann sagen „scheiß drauf“. Ich will in dieser Liga spielen, alles andere interessiert mich nicht. Ich bin der einzige 3-Sterne-Koch Deutschlands ohne Kette oder Investor im Rücken und das wird so bleiben. Wenn das jemand als gastronomischen Selbstmord bezeichnen möchte – okay! Denn ja, wir alle wissen, dass mit Sterneküche kein großes Geld zu machen ist. Aber ich will mir meine Freiheit bewahren.
Der Preis dafür ist aber ziemlich hoch …
Amador: Ja, ist er, aber das ist es wert. Das heißt aber natürlich nicht, dass ich nicht, vor allem in letzter Zeit, auch ab und an mit dem Schicksal gehadert habe. Da gehen einem schon viele Dinge durch den Kopf. Aber auf die Schnauze fallen bedeutet für mich eben nicht liegen bleiben und aufgeben, sondern aufstehen und weitermachen.
Da wir gerade vom Weitermachen sprechen: Welche strukturellen und konzeptionellen Neuerungen stehen nach dem Neustart konkret ins Haus?
Amador: Es gibt keine Konzeptänderung, das möchte ich an dieser Stelle einmal festhalten – in den Medien wurde das teilweise so dargestellt. Effektive Kostenkontrolle steht an erster Stelle. Wir werden aber nicht am Produkt und auch nicht an den Mitarbeitern sparen, das kann man sich in so einer Liga nicht leisten. Wir werden dafür das riesige Areal in Mannheim besser nutzen, vor allem für Veranstaltungen. Verstärkte Industriepartnerschaften und Buchprojekte sind ebenfalls ein wesentlicher Bestandteil des Konzepts für 2013. Und wir werden auch, anders als kolportiert, nicht unseren Weinkeller ausräumen, sondern Kommissionsgeschäfte abschließen. Das haben wir bis jetzt anders gehandhabt. Wir werden in vielerlei Hinsicht flexibler, das geht vom Mitarbeitereinsatz bis zur Karte.
Wie sieht es mit Ihren Expansionsplänen aus? Sind die Auslandsprojekte auf Eis gelegt?
Amador: Es werden nicht alle Verträge weiterlaufen, völlig vom Tisch ist mein Engagement im Ausland trotzdem nicht. Priorität haben jetzt aber definitiv das Stammhaus in Mannheim und der nationale Markt.