Fotos: Werner Krug, Tian
Paul Ivic. Im Normalzustand das Posterchild des typischen Tirolers. Ruhig, besonnen und laid back. Heute platzt es gleich nach wenigen Sekunden aus dem gebürtigen Alpenländer heraus: „Vor allem meine Mitarbeiter waren anfangs wahnsinnig enttäuscht!“ Der Grund für die Katerstimmung im Tian-Team: 14 Punkte im aktuellen Gault Millau Österreich. Jetzt könnte man sagen: 14 Punkte, keine schlechte Leistung für ein rein vegetarisches Restaurant, das erst seit knapp einem Jahr geöffnet hat.
Doch wenn man weiß, mit welchem Mut und…
Fotos: Werner Krug, Tian
Paul Ivic. Im Normalzustand das Posterchild des typischen Tirolers. Ruhig, besonnen und laid back. Heute platzt es gleich nach wenigen Sekunden aus dem gebürtigen Alpenländer heraus: „Vor allem meine Mitarbeiter waren anfangs wahnsinnig enttäuscht!“ Der Grund für die Katerstimmung im Tian-Team: 14 Punkte im aktuellen Gault Millau Österreich. Jetzt könnte man sagen: 14 Punkte, keine schlechte Leistung für ein rein vegetarisches Restaurant, das erst seit knapp einem Jahr geöffnet hat.
Doch wenn man weiß, mit welchem Mut und mit wie viel Kreativität das Team rund um den innovativen Küchenchef das vegetarische und auf Nachhaltigkeit abzielende Konzept im Wiener Restaurant umsetzt, kratzt man sich doch wieder einmal verwundert am Köpfchen. Ivic selbst hat zwar kurz geschluckt, nimmt die eher zurückhaltende Bewertung des vermeintlich wichtigsten österreichischen Restaurantführers mittlerweile jedoch relativ gelassen: „Klar wären ein bis zwei Punkte mehr toll gewesen. Ich finde es nur schade für die Motivation des Teams. Viel Zeit zum Grübeln bleibt aber ohnehin nicht, denn wir sind mittags wie abends voll.“ Und das ist für die von Wiener Schnitzel und Tafelspitz dominierte österreichische Bundeshauptstadt eine famose Leistung.
Vegetarische Spitzenshow
Das Tian liegt vis-à-vis dem legendären Wiener Theater Ronacher im ersten Bezirk und steht den Entertainment-Qualitäten der heutigen Musicalbühne um keinen Deut nach. Hauptakteur Paul Ivic zieht nach anfänglichen Startschwiergkeiten durch seine Kreationen die hauptsächlich nach Fleisch gierenden Wiener mittlerweile in Scharen an. Gewitzt demonstriert er dabei, dass man auch ohne Fisch und Fleisch atemberaubende mehrgängige Menüs servieren kann. Spannende Gerichte wie „Marchfelder Artischocke mit Bourbon-Vanille und Mais“ oder „Spinatmarubini mit Trüffel – Verbene Nagé“ lassen die zur Gewohnheit gewordenen tierischen Hauptprodukte keine Sekunde lang vermissen. „Wir wollen unsere Gäste ganz einfach für Neues begeistern“, erklärt Ivic sein Anliegen, die unglaubliche Vielfalt der vegetarischen Küche aufzuzeigen.
Aus diesem Grund finden im Tian monatlich auch sogenannte Experience Taste Dinners statt. Bei diesen werden spannende Produzenten und Produktexperten wie etwa die Münchner Trüffeleminenz Stephan Burger oder Käseflüsterer Bernard An-tony eingeladen. „Wir wollen dabei unsere Gäste auf keinen Fall belehren, sondern zeigen, wie fantastisch die verschiedensten Produkte schmecken können.“ Daher legt Ivic auch großen Wert darauf, die eigene Mannschaft permanent weiterzubilden: „Der maximale Geschmack ist bei uns einfach alles. Es dominiert stets die Frage, wie wir die hervorragende Qualität unserer Rohstoffe geschmacklich noch verfeinern können. Darum gibt es immer wieder intensive Geschmacksschulungen für das gesamte Team.“
Die Idee zum Tian hatte der Multimillionär und frühere Superfund-Partner Christian Halper. Von dessen zum Biovitalhotel Weissenseerhof dazugehörender Biogärtnerei „Natur fair!“ auch mittlerweile ein Großteil des im Restaurant verwendeten Gemüses stammt. Spezielle Sorten wie Südtiroler Buchweizen namens Schwarzplenten oder wilden Brokkoli bezieht Ivic von Spitzen-Gemüsebauern wie etwa dem Weinviertler Michael Bauer. Ständig ist er bemüht, aus vermeintlich simplen Gemüsesorten unvergleichliche Geschmackserlebnisse zu kochen. Da werden etwa Pastinaken mit Sellerie in Zedernholz geschmort und entwickeln so ein fantastisches Aroma. Oder es wird herrlich knackiges Herbstgemüse mit Safran-Lauchfondue serviert.
Aber nicht nur am Geschmack wird getunt, auch in puncto Wein und Service wurde jetzt erfahrene Verstärkung ins Tian geholt. Alexander Adlgasser, einst Sommelier und Restaurantmanager in der Aubergine, im Daniel, im Jean Georges und im Danube in New York, ist seit Kurzem für den perfekten Rebensaft zum Gemüse zuständig. „Es ist toll, mit so einem erfahrenen Mann zusammenzuarbeiten. Vor allem unsere Servicemitarbeiter proftitieren jetzt natürlich vom Know-how des weit gereisten Sommeliers“, freut sich Ivic über den sukzessiven Fortschritt seines Vegetarier-Eldorados.
Anfänglich hatte er in seiner Küche aufgrund von Vorurteilen und Skepsis nämlich eher Küchenhilfen neben sich am Herd stehen. Jetzt, wo sich herumgesprochen hat, welche Qualität hier nur mit Gemüse alleine abgeliefert wird, bekommt er die richtig talentierten Köche an seine Seite. Und das lockt vermehrt internationale Gäste an: „Erst unlängst blieb mir regelrecht die Spucke weg. Da sind doch tatsächlich amerikanische Urlauber extra von Prag nach Wien gefahren, um einmal bei uns zu essen“, zeigt sich der Tiroler von der mittlerweile erworbenen Reputation begeistert. Nicht umsonst wurde er auch zum Aufsteiger des Jahres beim heurigen LEADERS OF THE YEAR-Award nominiert.
Man ist tatsächlich überrascht, wie facettenreich vegetarische Küche sein kann. Das hat kürzlich übrigens auch Heinz Reitbauer, Österreichs kulinarische Nummer eins, bei einem Besuch festgestellt. „Sensationell“ lautete das schwergewichtige Urteil des Steirereck-Küchenchefs. Und so eine Kritik des Branchenprimus lässt die Bewertung der gelben Gastro-Bibel schnell im Duft der herrlich dampfenden Kokos-Mumbai-Curry-Schaumsuppe vergessen.