Der Go-Bro vom Schloss
Fotos: Wolfgang Hummer
Die Zähne beißt man sich an diesem Mann höchstens aus, wenn man versucht, schneller zu sprechen als er. Das ist nämlich augenscheinlich neben dem Kochen das zweite große Talent von Sebastian Lühr, dem Küchenchef im Kronenschlösschen im Rheingau. Ansonsten lässt es der gebürtige Norddeutsche aber ganz entspannt angehen. Und sein schneller Ton sowohl bei der Begrüßung wie auch beim Annoncieren am Pass tut der relaxten Stimmung keinen Abbruch. „Ja, ich habe viel Energie und überhole mich manchmal selbst beim Sprechen“, lacht der gebürtige Buxtehudener. „Aber mein Team…
Fotos: Wolfgang Hummer
Die Zähne beißt man sich an diesem Mann höchstens aus, wenn man versucht, schneller zu sprechen als er. Das ist nämlich augenscheinlich neben dem Kochen das zweite große Talent von Sebastian Lühr, dem Küchenchef im Kronenschlösschen im Rheingau. Ansonsten lässt es der gebürtige Norddeutsche aber ganz entspannt angehen. Und sein schneller Ton sowohl bei der Begrüßung wie auch beim Annoncieren am Pass tut der relaxten Stimmung keinen Abbruch. „Ja, ich habe viel Energie und überhole mich manchmal selbst beim Sprechen“, lacht der gebürtige Buxtehudener. „Aber mein Team versteht mich gut. Wir arbeiten ja auch schon eine ganze Weile zusammen.“ Die lockere Arbeitsatmosphäre steht beim 34-Jährigen nämlich ganz oben auf der Prioritätenliste. „Schließlich stehen wir täglich 15 Stunden und mehr in der Küche. Da wäre es doch traurig, wenn wir keinen Spaß an der Arbeit hätten.“ Herzhaft lachen ist also im kleinen Schlösschen am Rhein erwünscht. Denn dann fließen auch die geistreichen Ideen besser. Und zwar die von Lühr selbst, wie auch die seines 12-köpfigen Teams. Die gute Stimmung ist dabei bestimmt einer der Gründe, warum das Team für gastronomische Maßstäbe verhältnismäßig lange im Schulterschluss mit Lühr arbeitet und auch nach Wanderjahren in der internationalen Sternegastronomie immer wieder gerne ins Schloss zurückkehrt. So wie beispielsweise Ryan Scholz, Sous Chef in Sebastian Lührs sternedekorierter Küche. Dieser holte sich nach der Lehrzeit im Kronenschlösschen nämlich Inspiration bei Dreisterner Klaus Erfort. Heute ist er nicht nur die rechte Hand des Küchenchefs, sondern auch noch dessen bester Freund, Trauzeuge und Patenonkel des Küchenchef’schen Sohnes. Familiäres Miteinander anstatt heiß-kalten Passgebrülls steht also im Kronenschlösschen auf dem Plan. Wobei es ohne diese gehörige Portion Entspannung auch schwer vorstellbar ist, 40 und inklusive Terrasse sogar 70 Sitzplätze auf Ein-Sterne-Niveau zu bekochen. Und das noch neben dem Management zahlreicher Banketts sowie dem Bistro, die allesamt auf Sebastian Lührs kulinarisches Kommando hören. Ob das Nordlicht dieses organisatorische Talent während seiner Zeit bei der Marine erworben hat, ist unklar. Die Liebe zum Kochen kommt aber definitiv aus einer anderen Richtung: „Nach meiner Lehre im Kronenschlösschen hieß es vorerst einmal, Päckchen auf See aufreißen. Wobei die Mengen mit 230 Portionen täglich schon beeindruckend waren. Teilweise hatten wir aber auch einen eigenen Bäcker an Bord. Also zumindest Croissants und Co. frisch zuzubereiten habe ich auf See aus dem Effeff gelernt“, so Lühr, der nicht einmal die Marine als Inspirationsquelle auslässt.
Daddy Cool
Die Idee, eine gastronomische Laufbahn als Koch einzuschlagen, reicht allerdings bis in den tatsächlichen Stammbaum Lührs hinein. „Schon als kleiner Junge hat mich mein Vater immer wieder auf den Großmarkt in Hamburg mitgenommen. Dort habe ich meine Liebe zu hochwertigen Produkten entwickelt. Mein Vater hat mir auch gezeigt, diese gekonnt weiter zu verarbeiten.“ Und auch, wenn Lührs Kreationen heute mit Gerichten wie „Gebratenem Hummer mit Kalbskopf, Bohnen und aufgeschäumtem Kalbsfond“ oder „Chimichurri mit Erbsenfalafel und Lammbries“ der väterlichen Küche lange entwachsen sind, so gibt es doch ein Steckenpferd, das Lührs Senior offensichtlich nicht gerne abgibt: „Mein Vater ist immer noch der Meinung, dass er besser schmoren kann als ich, wobei ich natürlich das Gegenteil behaupte.“ Aus seiner Kinderstube hat der sympathische Niedersachse also die Liebe zu Geschmortem mitgebracht, diese während seiner Zeit bei den Granden der deutschen Top-Gastronomie aber noch um so einige Kniffe erweitert. So ging es für Lühr vom Schiff direkt ins Landhaus Scherrer zu Heinz Wehmann. Danach heuerte der talentierte Jungkoch bei 3-Sterne-Koch Joachim Wissler an. „Während meiner zwei Jahre bei Joachim Wissler im Restaurant Vendôme im Althoff Grandhotel Schloss Bensberg habe ich bestimmt am meisten gelernt“, so der heute 34-Jährige. 2007 kehrte er schließlich als Sous Chef wieder nach Eltville ins Kronenschlösschen zurück. Seit Frühling 2013 hört hier alles auf sein Kommando als Executive Chef.
Auch was seinen Küchenstil betrifft, bleibt Lühr gerne flexibel. Und so ist dieser zwar französisch inspiriert, aber immer durch die typisch Lühr’schen Kniffe ergänzt, die der Guide Michelin prompt nach der Bestellung des kulinarischen Talents als Küchenchef mit einem Stern adelte. „Ich lasse mich immer von den Produkten inspirieren, die ich gerade zur Verfügung habe“, hält es der Norddeutsche ganz mit den Markterfahrungen aus seiner Kindheit. „Zudem übernehme ich auch gerne Ideen meiner Mitarbeiter, die wir dann gemeinsam weiterentwickeln.“ Das freundschaftliche Verhältnis zu seiner Crew ist für den kulinarischen Kapitän dabei essenziell: „Ich bin wirklich der Letzte der jemandem eine Pause verwehrt. Vor allem, weil man nach einem kurzen Kaffee in der Sonne mit viel besseren Ideen wieder in die Küche zurückkommt.“ Die Arbeitstage seien zwar jetzt tendenziell länger, aber die Küche schließlich auch aufwendiger. Das verlangt den geschlossenen Einsatz der gesamten Küchen-Familie und wird im Gegenzug mit der Möglichkeit, sich kreativ zu entfalten, und der Arbeit mit Top-Produkten belohnt. Und mit der umfangreichsten Weinkarte Deutschlands sowie der Herausforderung, sich dazu immer wieder neue korrespondierende Kreationen auszudenken. Aber trotzdem: Sogar bei 1200 Positionen vergisst der Kreativling nicht, den weinliebhabenden Besuchern auch andere traditionelle Produkte der Region wie den Apfelwein näher zu bringen. Und so wird als Apero vor Riesling und Co. mal eben eine Handkäsecreme mit Apfelweingelee und Kümmel-Charlotten-Krokant serviert. Ein Rhein-Main-Klassiker nach Lühr’scher Manier interpretiert. Wie beim Essen bei hessischen Freunden. Nur eben auf Sterneniveau.