Internationale Spitzenköche präsentierten die neuesten Kulinarik-Trends
Kann man das? Diese Geschichte mit einem so abgedroschenen Begriff wie Regionalität beginnen? Nein, kann man nicht. Man muss vielmehr. Weil dieser Begriff dringend, ganz dringend wieder etwas Glaubwürdigkeit braucht. Und wer könnte diese besser wiederherstellen als Rebecca Clopath, die gerade die Bühne betritt? Spoiler: niemand. „Das ist mein Dorf“, sagt die Schweizerin, kaum hat sie die Mainstage geentert. Sie zeigt auf die Leinwand hinter sich. Darauf zu sehen: Drei Kühe. Viel Grün. Noch mehr Berge. Lohn, wie Clopaths Dorf heißt, ist nicht nur ein Kaff mit 61 Einwohnern. Sondern auch die wohl eigenwilligste Gourmet-Destination der Schweiz.
Denn – damit wir uns richtig verstehen: Clopaths Bio-Hof namens Taratsch ist kein Restaurant. Es ist weit mehr als das. „Wir verbinden hier Kulinarik mit Landwirtschaft auf 1.600 Höhenmetern und sehen das als einen einzigen Kreislauf“, sagt sie. Heißt konkret: Küche und Speiseraum, in dem gerade einmal 18 Leute Platz nehmen können, sind eingebettet im elterlichen Bauernhof. Dort werden Kühe gehalten, Äcker bearbeitet – und auch Lebensmittel wie Joghurt, Frischkäse oder Butter produziert; natürlich noch bevor sie in der Küche verarbeitet werden.
Dieses Pulver kommt aus unseren alpinen Böden und ist extrem eisenhaltig.
Rebecca Clopath über Aion A aus ihrem Bergdorf Lohn
Kein Wunder also, dass Clopath einiges an einzigartigen Zutaten aus Lohn mitgebracht hat. „Wir wollen heute zeigen, wie vielfältig die Texturen der Alpen schmecken können“, sagt die sympathische 33-Jährige und legt gleich los: „Hier haben wir eine Creme aus Sellerie mit Kieselerde, die kombinieren wir mit einer Pastinakencreme und Aion A.“ Moment mal, was ist Aion A? „Das ist ein Gesteinspulver unserer alpinen Böden. Es ist sehr eisenhaltig“, folgt die Erklärung prompt. Kombiniert werden diese beiden Cremes jetzt mit Frischkäse, den Clopath mit rauchiger Zirbenkohle würzt.
Apropos würzen: Die Naturköchin verzichtet voll und ganz auf Exoten. „Wir brauchen keinen Pfeffer oder andere Gewürze vom anderen Ende der Welt, die Biodiversität hier in Lohn ist fast unendlich. Ich bezeichne meine Küche deswegen viel lieber als lokal und nicht als regional. Mit dieser lokalen Küche können wir nicht nur neue Geschmackswelten der alpinen Küche eröffnen, sondern auch wirklich nachhaltige Gastronomie machen.“
Womit wir beim nächsten, nun ja, abgedroschenen Begriff wären: Nachhaltigkeit. Wichtig, eh klar. Aber kann das noch jemand hören? In Zeiten, in denen plötzlich alles und jeder nachhaltig sein soll? Ja, kann und will man sehr wohl. Vor allem, weil Rebecca Clopath nicht die einzige ist, die dazu viel Aufschlussreiches und Erfrischendes zu erzählen hat. Sondern auch die italienische Garten-Revoluzzerin Antonia Klugmann.
Aber dazu gleich mehr. Denn zuerst geht es zu einer mit Spannung erwarteten Masterclass von einem der besten Köche Österreichs. Der nämlich ist gerade dabei, sich neu zu erfinden – und erklärt hier zum ersten Mal öffentlich, was genau dahintersteckt. „Wir haben in den letzten Jahren eine sehr regionale steirische Küche gemacht“, hören wir Harald Irka auch schon reden.
Mehr Meer-Umami!
Sein Restaurant Pfarrhof Sankt Andrä in der Südsteiermark gehört zu den besten Österreichs, es hält 18,5 Punkte im Gault&Millau. „Unser regionaler Zugang hat sich im vergangenen Jahr geändert. Auch, weil wir Meeresfisch und Meeresfrüchte neu für uns entdeckt haben“, klärt der Spitzenkoch auf. Schließlich ist das Meer von der Südsteiermark weniger weit entfernt, als etwa die Bundeshauptstadt Wien. Und das schafft neue Optionen: „Früher hatten wir nur zwei bis drei Produkte auf dem Teller, heute wollen wir ganz bewusst etwas verspielter sein.“
Was das konkret bedeutet? Irka zeigt das anhand seines Gerichts, das sich rund um den Taschenkrebs dreht. „Wir haben ihn kurz gekocht und ausgelöst – und machen dann etwas ziemlich Spannendes: Wir kombinieren den Krebs anstatt mit einer klassischen Mayonnaise mit einer Seeteufelleber, die ähnlich wie Foie Gras verarbeitet wird.“ Heißt: Die Leber wird geputzt, anschließend mit Reduktionen aus verschiedenen Süßweinen mariniert und dann gedämpft.
„Das ergibt eine sehr ähnliche Konsistenz wie Foie Gras, passt aber viel besser zu den Aromen des Taschenkrebses“, sagt der Neo-Meeresgetierflüsterer, während er das Meerestier auf der Leber-Foie-Gras drapiert. Dazu gibt’s ein paar Tropfen Mangoessig, die sorgen für fruchtige Frische und getrocknete Seeigel-Garnelen für den Umami-Bums. Eine himmlische Austernemulsion aus blanchierten Austern, Austernblättern und Petersilie. Und natürlich Kaviar. Fazit: So verspielt Harald Irkas neue Meeresküche auch ist – sie ist hochkonzentriert im Geschmack und auf beeindruckende Art in sich geschlossen.
Bokkoms mit Bums
Gleiches könnte man getrost über Bertus Basson sagen. Nur: Für uns Europäer kommt das, was Südafrikas Starkoch so auf die Teller bringt, einfach etwas spektakulärer daher. Das liegt erstens einmal daran, dass der 44-Jährige sich radikal auf die Kulinariktraditionen seiner Heimat beruft. Und zweitens daran, dass Basson es momentan wie kein anderer versteht, diesen Traditionen zeitgemäße Sichtbarkeit zu verschaffen. Und zwar in Form von sage und schreibe sechs Restaurants in und um Stellenbosch, diesem malerischen Vorort von Kapstadt, wo idyllische Weinberge ein ideales Setting für Bassons Imperium schaffen.
Darf ich vorstellen: Die Umami-Bombe Bokkoms-Fisch!
Bertus Basson über eines seiner spektakulären Mitbringsel
„Was ist südafrikanische Küche? Kennt irgendwer von euch etwas typisch Südafrikanisches?“, ruft Basson fragend ins Publikum. Stille. „Dachte ich mir“, sagt er schmunzelnd, „deswegen bin ich ja hier“. Von der Küchenzeile nimmt Basson etwas Kleines, Stiftgroßes in die Hand. Eine Sardelle? Oder doch eine Sardine? „Darf ich vorstellen: Unsere Umami-Bombe, der Bokkoms-Fisch!“
Dass Basson von „unserer“ Umami-Bombe spricht, hat einen guten Grund: Südafrika ist nicht nur ein großes, sondern auch ein erstaunlich vielfältiges Land. „Im Landesinneren sind die Traditionen wieder ganz andere als bei uns an der Küste rund um Kapstadt.“ Jedenfalls: Nach uralter kapstädtischer Tradition wird der Bokkoms-Fisch von heimischen Fischern an der Küste gefangen, für 24 Stunden in Salz eingelegt und anschließend in der Sonne getrocknet, erklärt uns der Multigastronom.
„Die Eingeweide bleiben natürlich drinnen, das sorgt für noch mehr Geschmack“. Basson legt kurz Hand an den kleinen Fisch, fast wirkt es, als würde er ihn zwicken. „Zack, ich habe jetzt die Haut entfernt“, sagt er. „Sein festes, gehärtetes Fleisch reibe ich über viele meiner Gerichte. Das müssen nicht einmal nur Fischgerichte sein. Es sorgt einfach für eine Extraportion Salzigkeit und Umami. Und unter uns: Am besten schmeckt geriebener Bokkoms natürlich als Hangover-Food um Mitternacht.“
Alle südafrikanischen Küstenjuwelen, die Basson sonst noch mitgebracht hat, sind hier zwar unmöglich aufzuzählen. Nur so viel: Dass auch wir in Europa noch so einiges von der süß-säuerlichen Pferdefeige, dem jodigen Dünenspinat oder dem chlorophyllen Speckbaum hören werden, das ist dank Bertus Basson nur noch eine Frage der Zeit.
What the Puck?!
Mindestens genauso weit gereist wie Bertus Basson ist ein anderer Könner: Mitsuharu Tsumura, der mit seinem Restaurant Maido in Perus Hauptstadt Lima drei Mal hintereinander zur Nummer eins der prestigeträchtigen Latin America’s 50 Best-Liste gekürt wurde. Doch im Gegensatz zu Basson ist er nicht mit raren Produkten nach Graz gereist. Sondern mit ganz viel, nennen wir es – Hirnfutter.
„Ich möchte euch heute etwas über die Demokratisierung des guten Geschmacks erzählen“, sagt der Begründer der Nikkei-Küche, die Elemente der peruanischen Kulinarik mit denen der japanischen vereint. „Das Maido ist ein Fine-Dine-Restaurant, aber irgendwann einmal hat mich eine Sorge immer stärker umgetrieben: Nämlich dass der Großteil der peruanischen Bevölkerung sich ein Essen bei mir nicht leisten kann.“
Diese Sorge, erzählt Tsumura, habe während des Corona-Lockdowns zu einer Entscheidung geführt, die sein Leben für immer verändern sollte. „Ich wollte etwas machen, das mehr Leute erreicht als nur Fine Dine. Also habe ich überlegt, was Peruaner eigentlich am liebsten essen.“
Die Antwort: Pollo a la brasa, gegrilltes Huhn mit unterschiedlichsten Marinaden. Sein Konzept in Lima namens Tori Polleria bietet seither Grillhuhn zum Mitnehmen an – und geht ab durch die Decke. „Mittlerweile habe ich unterschiedliche Saucen und Marinaden dazu entwickelt, die für die peruanische Bevölkerung leistbar sind.“ Und nicht nur das: Im ach so luxuriösen Maido hat Tsumura nun auch À-la-carte-Speisen.
„Damit Leute nicht gleich das gesamte Menü bezahlen müssen“, so Tsumura, der dem Publikum zum Schluss eine Sache mit auf den Weg geben will: „Es ist völlig in Ordnung, nur Fine Dine zu machen. Aber ich möchte jeden ermutigen, seine Rolle als Koch nicht nur über eine reiche Minderheit zu definieren. Dass ich selbst nun für alle meine Landsleute kochen kann, das macht mich heute glücklicher denn je.“ Der lange Applaus zeigt: Mitsuharu Tsumura hat hier so einigen aus der Seele gesprochen. Und vielleicht einen Trend benannt …
Jetzt aber wird es Zeit für Antonia Klugmann. Jene Frau also, die dem Thema Nachhaltigkeit wieder gastronomisches Leben einhauchen soll. Warum ausgerechnet sie? Ganz einfach: Mit ihrer unglaublich reduzierten, aber nicht minder aromengewaltigen Küche, die sich zum allergrößten Teil aus ihrem restauranteigenen Garten speist, hat sie die italienische Fine-Dine-Szene ordentlich durcheinandergewirbelt.
Ihr Restaurant L‘Argine a Vencò im friaulischen Nirgendwo wird vom Guide Michelin seit 2015 mit einem Stern ausgezeichnet. Und das, obwohl – oder gerade weil? – ihre Küche aus erstaunlich wenig Verarbeitungsschritten besteht. Das ist also alles ziemlich revolutionär. Und da wollen wir jetzt hin!
Bis wir aber von unserem kurzen Ausflug in die Expo-Area zurück zur Mainstage kommen, dauert es etwas. Weil: viele Leute, sehr viele Leute. So zielstrebig wie nur irgend möglich schlängeln wir uns also durch die Menschenmassen und – kann das sein? Ja! Kein Geringerer als Wolfgang Puck flaniert hier gemütlich mit seiner Entourage durch die Messehalle. Gestern noch erzählte der Oscar-Caterer und Multigastronom auf der Mainstage von seiner schweren Kindheit, plauderte aus dem Hollywood-Nähkästchen und verriet, was er die nächsten 50 Jahre noch alles vorhat.
„Und heute“, sagt er in seinem amerikanisch gefärbten Kärntnerisch, lässig ein Glas kalifornischen Rotwein schwenkend, „nehme ich mir in Ruhe Zeit, um diese großartige Stimmung hier aufzusaugen und mich mit den Ausstellern auszutauschen. So viel Innovation und Inspiration auf einmal, das kenne ich nirgendwoher!“ So verlockend es auch wäre, mit Mister Puck ein Glas zu trinken – wir wollen wirklich zu Signora Klugmann. Und siehe da, kaum kommen wir rein, betritt auch die sympathische Italienerin unter tosendem Applaus gerade die Bühne.
Borretsch und andere Superpflanzen
„Als ich 2014 das Grundstück, auf dem heute mein Restaurant steht, kaufte, spürte ich eine unheimliche Verantwortung gegenüber der dortigen Natur“, beginnt Klugmann. Schnell stand damals fest: Hier, mitten im Friaul, wollte sie nach fast 20 Jahren Erfahrung in der urbanen Sternegastronomie nicht nur kochen.
Sondern auch endlich selbst Kräuter und Gemüse anbauen. „Dass aus diesem Vorhaben ein so besessenes Projekt wurde, damit habe ich damals aber nicht gerechnet“, greift die Sterneköchin vor. Was ihre innovative Kräutergartenküche so nachhaltig macht, das zeigt sie zunächst anhand der Borretsch-Pflanze. „Sie wächst in ganz Italien, braucht kaum Wasser – und wird kulinarisch viel zu selten verwertet. Was wir im Landesinneren im Friaul damit machen können, ist ziemlich cool: Algen zum Beispiel.“ Algen? Ja, denn auch wenn die gebürtige Triesterin ziemlich weit weg von der Meeresküste kocht, will sie in ihrer regionalen Küche nicht auf die vielschichtigen, jodigen Aromen des Meeres verzichten.
Und genau hier kommt die Borretsch-Pflanze ins Spiel. Klugmann nimmt einen großen Strauch in die Hand, der sehr unspektakulär wirkt. Könnte auch Unkraut sein. Doch was sie daraus macht, ist exemplarisch für ihre Küche – und schlicht und ergreifend zukunftsweisend: „Wir zupfen diese etwas haarigen Blätter vom dicken Stiel und bedecken sie für fünf Minuten mit Salz. Danach lassen wir sie vollständig austrocknen und pressen sie.
Ecco! Schon hat man mit extrem wenigen Verarbeitungsschritten eine Nori-Alge.“ Und tatsächlich: Eine grüne, unglaublich intensive Jodigkeit umschmeichelt den Gaumen beim Verkosten dieser Pasta, deren Teig mit dieser Fake-Nori-Alge angereichert wurde. Ganz zu schweigen von der Sauce, die lediglich aus reduziertem Borretsch-, pardon, Nori-Fond hergestellt wurde. „Echte Nachhaltigkeit in der Gastronomie findet für mich auf mehreren Ebenen statt: Meine Rezepte sind alle sehr simpel und bestehen aus sehr wenigen Verarbeitungsschritten.
Das spart nicht nur Energie und ist auf allen Ebenen nachhaltig, sondern führt auch dazu, dass man als Koch seinen ureigenen Stil ohne Chichi findet. Und was meinen Garten betrifft: Seit zwei Jahren gieße ich ihn nicht mehr, nicht einmal im Hochsommer. Damit tragen wir unseren Teil zur Bekämpfung der Wasserknappheit bei – und haben gelernt: Pflanzen sind viel stärker, als wir Menschen gemeinhin denken.“
Ludwig der Starke
Stärke. Darum geht es auch im Talk mit einem ganz besonderen Menschen der deutschsprachigen Gastronomie. Ludwig „Lucki“ Maurer hat hier bei der Rolling Pin.Convention seinen ersten Auftritt seit langer Zeit. „Zum Kochen auf der Bühne reicht meine Kraft zwar noch nicht, aber reden, das geht natürlich“, so Deutschlands bekanntester Wagyu-Züchter, der gerne auch als „Fleischpapst“ bezeichnet wird.
Wobei: „Das klingt so pornös irgendwie, so bisschen nach Papst mit der Fleischpeitsche“, witzelt Maurer. „Aber immer noch besser als King of Kotelett, so wurde ich nämlich auch einmal genannt. Ganz schlimm.“ Doch nun wird er ziemlich schnell ernst: Denn die vergangenen Monate waren hart für den Vollblutgastronomen. Krebs, Chemotherapie – und das zum zweiten Mal in seinem Leben. Das erste Mal mit der tödlichen Krankheit konfrontiert war Maurer mit 20 Jahren gewesen. „Das hat mich unheimlich geprägt, weil ich mich damals zum ersten Mal gefragt hatte: Was will ich wirklich machen in meinem Leben? Was macht mich glücklich?“
Seine persönliche Antwort auf diese Frage gab Maurer mit seiner ökologischen Wagyu-Zucht im niederbayrischen Rattendorf, und natürlich mit seinem dortigen Restaurantkonzept, dem Stoi, das bis heute neue Maßstäbe setzt, wenn es um nachhaltige Fleischküche geht.
Wie es ihm jetzt, nach der zweiten überstandenen Krebserkrankung, geht? Lucki Maurer wirkt dankbar. Geerdet. Zuversichtlich. Und motiviert. „Ich mache in nächster Zeit jetzt nur das, worauf ich wirklich Lust habe. Ich gehe auf die Konzerte von Depeche Mode, von Metallica, von Rammstein, fahre mit meiner Harley Davidson – und trink einen über den Durst.“
Dass plötzlich Hunderte Menschen im Publikum Tränen in den Augen haben, erlebt man selten. Genauso wie die langen, rührenden Standing Ovations, mit denen das Publikum Lucki Maurer für seine Offenheit, seinen Kämpfergeist – und nicht zuletzt seinen Humor – dankt.
Drei Großmeister mit Zuversicht
Um die Zukunft – und zwar ebenso eine, die vielversprechend ist – geht es auch im aufschlussreichen Talk mit drei Granden der österreichischen Spitzengastronomie: Thomas Dorfer, Andreas Döllerer und Richard Rauch. Unter dem Motto „Die Zukunft der österreichischen (Spitzen-) Gastronomie“ wird, wie wir schnell merken, gar nicht so wild debattiert. Was das Gespräch aber nur noch spannender macht. Denn da wird so manche Vorannahme widerlegt, die viele Branchenbeobachter in letzter Zeit gewonnen haben. Und die fast schon Konsens-Charakter hatte.
In Zukunft sollte es möglich sein, auch in veganen oder italienischen Restaurants den Kochberuf zu erlernen.
Richard Rauch findet die Ausbildungskriterien für den Kochberuf nicht mehr zeitgemäß
Bis jetzt. Zum Beispiel: So schlecht, wie alle sagen, geht es der Gastronomie nicht. Wirklich nicht. Und: Das Ende der Spitzengastronomie ist noch lange nicht da. Und: Auch der Mittelbau der österreichischen Gastro-Landschaft wird überleben, ganz unabhängig von der medialen Hysterie, die diese Debatte prägt.
Aber der Reihe nach: „Bei jedem Gespräch über die österreichische Gastronomie muss man vorausschicken: Im Gegensatz zu Deutschland beispielsweise sind hier die meisten Spitzenrestaurants Familienbetriebe.“ Wie relevant dieser Fakt ist, zeigt sich an der – für viele mittlerweile leidigen – Debatte über das vermeintliche Ende der Sternegastronomie, die Noma-Mastermind René Redzepi vor Kurzem proklamiert hat.
Dazu hat Thomas Dorfer eine klare Meinung: „Die Leute gratis arbeiten zu lassen und dann zu sagen, Spitzengastronomie sei nicht nachhaltig, das ist schon Heuchelei.“ Klare Kante zeigt dann auch Richard Rauch in der – ja, durchaus österreichischen – Debatte hinsichtlich der veganen Kochausbildung: Soll es in Zukunft eine solche geben oder nicht?
„Ich bin dafür“, sagt der Innereien-Spezialist. „Ich finde aber auch generell, dass die Ausbildungskriterien für die Kochlehre nicht mehr zeitgemäß sind. Es kann nicht sein, dass man heute nur die Ausbildung dort machen darf, wo österreichische Traditionsküche serviert wird. Es sollte in Zukunft auch erlaubt sein, in einem italienischen Restaurant den Kochberuf zu lernen. Oder eben in einem veganen.“
Was auffällt und guttut: Aus allen drei Köchen spricht eine erfrischende Zuversicht. Klar, es gibt Probleme in der Branche. Die sind aber alle bewältigbar. Und andere Branchen haben genauso Probleme, manche sogar noch größere. „Auch vom medial vielbeschworenen Tod des Mittelbaus in der Gastronomie halte ich nichts“, sagt Andreas Döllerer. „Man sieht es ja: Solange der Mittelbau gut ist, lohnt er sich, auch finanziell. Das gilt auch für einen Würstelstand. Solange er gut ist, wird er überleben. Aber er muss eben gut sein. So einfach ist das.“
DIE CHEFS.STAGE
Einmal mehr gab sich die internationale Kochelite auf der Rolling Pin.Convention die Klinke in die Hand – und 9.500 Teilnehmer lauschten gebannt den Ausführungen auf der Chefs.Stage. Darunter Österreichs erfolgreichster Kulinarik-Export Wolfgang Puck, der vielleicht unterschätzteste Koch der Welt, Albert Adrià, oder Lateinamerikas mehrmalige Nummer eins, Mitsuharu Tsumura. Außerdem zeigten Könner wie Nick Bril, Rebecca Clopath, Philip Rachinger, Antonia Klugmann, Lucki Maurer oder Bertus Basson, welche Produkte, Techniken, Konzepte und Philosophien allesamt am Puls der Zeit liegen.
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