Copy Paste?
Fotos: Shutterstock, Momofuku Group, www.stomachlife.com, Restaurant Moto, Werner Krug
Markante Idee
Walter Eselböck zog sich mit „Räucheraal und Rindermark“ den Unmut der Kollegen Frantzén/Lindeberg zu. Die nämlich hatten (unter anderem) die Idee, den Knochen zum Behältnis für Markstücke umzufunktionieren, vor ihm.
Es war einmal ein österreichischer Spitzenkoch namens Walter Eselböck, der tat eine Reise nach Schweden. Dort angekommen tafelte er bei seinen angeblichen „Freunden aus Stockholm“, Björn Frantzén und Daniel Lindeberg, in deren mit zwei Michelin-Sternen ausgezeichnetem Restaurant. Begeistert empfing Eselböck eine versiegelte Speisekarte in Form einer ausformulierten Küchenphilosophie, staunte über ungebackenes Brot an seinem Tisch und ein Gericht, in dem gewürfeltes Mark in einem Knochen serviert wurde. Als der Koch wieder nach Hause zurück in sein Restaurant Taubenkobel im Burgenland kehrte, sorgte er dafür, dass das Märchen weiterging. Deshalb erzählte er seinen Gästen eines, und es handelte von versiegelten Speisekarten, ungebackenem Brot und Markknochen. Der Ausgang dieser Geschichte ist bekannt. Eselböcks Konzept-Klau flog auf und…
Fotos: Shutterstock, Momofuku Group, www.stomachlife.com, Restaurant Moto, Werner Krug
Markante Idee
Walter Eselböck zog sich mit „Räucheraal und Rindermark“ den Unmut der Kollegen Frantzén/Lindeberg zu. Die nämlich hatten (unter anderem) die Idee, den Knochen zum Behältnis für Markstücke umzufunktionieren, vor ihm.
Es war einmal ein österreichischer Spitzenkoch namens Walter Eselböck, der tat eine Reise nach Schweden. Dort angekommen tafelte er bei seinen angeblichen „Freunden aus Stockholm“, Björn Frantzén und Daniel Lindeberg, in deren mit zwei Michelin-Sternen ausgezeichnetem Restaurant. Begeistert empfing Eselböck eine versiegelte Speisekarte in Form einer ausformulierten Küchenphilosophie, staunte über ungebackenes Brot an seinem Tisch und ein Gericht, in dem gewürfeltes Mark in einem Knochen serviert wurde. Als der Koch wieder nach Hause zurück in sein Restaurant Taubenkobel im Burgenland kehrte, sorgte er dafür, dass das Märchen weiterging. Deshalb erzählte er seinen Gästen eines, und es handelte von versiegelten Speisekarten, ungebackenem Brot und Markknochen. Der Ausgang dieser Geschichte ist bekannt. Eselböcks Konzept-Klau flog auf und brachte ihm jede Menge Spott und Häme ein – Spitznamen wie „Guttenberg der Küche“ inklusive.
Er hätte sich denken können, dass das auffliegt.
Nun mag das Eselböck-Beispiel ein schillerndes in der Negativ-Hitliste der dreisten Food- und Konzeptplagiate sein, ein Ausnahmefall ist es aber keineswegs. Kaum ein Michelin-Stern bekränzter Spitzenkoch, der kein Lied über ein Gericht zu singen weiß, das in mehr oder weniger adaptierter Form auf anderen Speisekarten wieder auftauchte. Es sind heikle, aber notwendige Fragen, die diese Fälle aufwerfen. In erster Linie jene nach der Grenze zwischen plumpem Plagiat und Inspiration. Und in weiterer Folge nach den Möglichkeiten, die eigenen kulinarischen Kreationen vor freibeuterischen Küchenspionen zu schützen.
Während in Österreich und Deutschland die kulinarische Blaupause immer noch den Status eines Kavaliersdelikts genießt, gehen vor allem amerikanische Vertreter der Avantgarde-Küche, darunter Wylie Dufresne, Grant Achatz oder Homaru Cantu, mit Kollegen, die sich ihrer Ideen bedienen, härter ins Gericht. Seit 2007 Rebecca Charles, Küchenchefin der Pearl Oyster Bar in New York, ihren ehemaligen Mitarbeiter Ed McFarland wegen Urheberrechtsverletzung an ihren Rezepten verklagte, denkt man in Amerika laut darüber nach, wie man innovative Rezepte und Techniken als geistiges Eigentum schützen lassen könnte. In Zeiten, in denen Praktika in Top-Küchen für jeden ehrgeizigen Jungkoch ein Muss sind und das Internet nie da gewesene Möglichkeiten zur Verbreitung von Bildern und Informationen bietet, ist eine Lösung dieses Konflikts allerdings nicht ganz so einfach. „In letzter Konsequenz möchten wir ja, dass unsere Küche die Welt erobert. Alles, was wir erwarten, ist, dass Köche unsere Ideen und Techniken mit ihren eigenen Persönlichkeiten und Noten anreichern“, bringt etwa 2-Sterne-Koch Grant Achatz die moderne Copy-Paste-Misere auf den Punkt.
Recht versus Gerechtigkeit
Aus juristischer Sicht gilt jedenfalls sowohl in Österreich als auch in Deutschland: Ein Rezept ist kein schützenswertes Werk im Sinne des Urheberrechtes. Rezepte gelten offiziell als Betriebsanleitungen, und auch die Idee zu einem bestimmten Gericht kann nicht geschützt werden. Nur wenn ein Rezept oder Konzept mit charakteristischen Merkmalen und Details – etwa spezielle Textformulierungen oder auch die Gestaltung einer Speisekarte – angereichert wird, könnte ein Schutz denkbar sein. Im Fall Eselböck hätten Frantzén/Lindeberg den Spitzenkoch also theoretisch dafür belangen können, dass er Text und Aufmachung der Speisekarte eins zu eins übernommen hatte. Werden einzelne Komponenten oder auch die Grundidee eines bestehenden Gerichts in der eigenen Küche aufgenommen und individuell modifiziert oder weiterentwickelt, ist das jedenfalls eine legitime Form der Nachahmung. Ist die persönliche Handschrift erkennbar, gilt die Unschuldsvermutung. Anders verhält es sich da schon bei Gerichten, die etwa aufgrund einer speziell entwickelten Technik zur Herstellungsweise eindeutig anderen Köchen zuzordnen sind. Werden diese Gerichte in exakt derselben Ausführung und womöglich unter demselben Namen wie das Original auf die eigene Karte gesetzt, kommt man relativ wahrscheinlich juristisch ungeschoren davon, bekleckert sich aber nicht gerade mit Ruhm.
Viele Spitzenköche plädieren deshalb dafür, auf elitären Speisekarten die gute alte Quellenangabe wieder einzuführen. „Wylie, René, Heston, Ferran und Andoni nennen ihre Inspirationsquellen. Warum nicht auch der Rest von uns? Wir verlieren die Fähigkeit, die Vergangenheit zu ehren“, twitterte Spitzenkoch David Chang letztes Jahr. Chang redet natürlich nicht davon, neben jedes panierte Stück Fleisch auf der Karte einen Verweis auf den Urvater des Gerichts zu setzen, sondern von den „Ideen-Fabriken, die viel Geld und Zeit in die Entwicklung von Techniken und Gerichten setzen“.
Als Vorbilder im Umgang mit Quellen dienen vor allem jene Köche, von denen am meisten gemopst wird. Albert Adrià etwa, der in seinem 41° Martin Berasategui als Inspirationsquelle seiner Foie gras auf der Karte vermerkt. Bis also irgendwann vielleicht rechtliche Mittel werden greifen können, bleibt nur der Appell an das gute alte Ehrgefühl.
Original: Saugute Idee
Der amerikanische Spitzenkoch David Chang ersann 2004 Pork Belly Buns: In Hoisin-Sauce marinierter Schweinebauch mit Gurken, eingelegtem Gemüse und Zwiebeln in einem gedünsteten Brötchen, wie es in Nordchina häufig gegessen wird.
Fake: Schweinerei
Das Flying Pig Café in Los Angeles, Ableger des populären Food-Trucks, wirbt selbstbewusst mit dem Slogan „Home to the Pork Belly Bun“. Inhaltlich wie optisch sind Chef Joe Kims und David Changs Buns identisch.
Patentiert: Ess-Papier
Homaru Cantu, Kreativmaschine und Mastermind des Restaurants Moto in Chicago, baute vor und ließ sich seine Edible Menus, respektive die Technik, Texte und Bilder auf essbare Strukturen zu drucken, patentieren.
Tomato-Gate
Im Februar 2009 setzte Hangar-7-Gastkoch Dani Garcia seine „falsche“ gefüllte Tomate mit grüner Tomatensuppe auf die Ikarus-Karte. 2-Sterne-Koch Christian Jürgens servierte dasselbe Gericht im Herbst desselben Jahres beim Althoff-Gourmetfestival.
Blaupauser
Wer es mangels kreativer Geistesblitze schon nötig hat, die Gerichte und Konzepte der Kollegen zu klauen, sollte sich zumindest nicht dabei erwischen lassen. So wie diese vier Vertreter der Fine-Dining-Szene.
Christian Jürgens
Bei der alljährlich in Buñol stattfindenden „Tomatina“ wäre 2-Sterne-Koch Christian Jürgens vom Restaurant Überfahrt auch gut aufgehoben. Für den Klau von Sternekoch Dani Garcias „Falso Tomate“ hätte er es verdient, mit Tomaten beworfen zu werden. Bei Jürgens landete die hübsche Rote unter dem Namen „Christians Tomate“ auf der Karte. Referenz? Fehlanzeige. 2-Sterne-Koch Silvio Nickol ließ sich übrigens in seinem Wiener Palais Coburg ebenfalls auf einen – wenn auch mit vielen individuellen Elementen kombinierten – Nachbau namens „Magic Tomato“ ein.
Walter Eselböck
Für den Küchenchef des Taubenkobels erlangte der Begriff des Stockholm-Syndroms 2011 ganz neue Bedeutung. Von der versiegelten silbernen Speisekarte, Brotteig und einem gefüllten Markknochen des schwedischen 2-Sterne-Duos Frantzén/Lindeberg war Walter Eselböck so angetan, dass er Konzept samt Gericht mopste. Dumm nur, dass der Restaurantkritiker Severin Corti sowohl bei Frantzén/Lindeberg als auch bei Eselböck zu speisen pflegte und den mit fremden Federn Geschmückten auffliegen ließ. Eselböcks Antwort: „Wir haben es genau so gemacht wie die Freunde aus Stockholm, weil es nichts mehr zu verbessern gab.“
Toni Mörwald
Im Normalfall borgen sich ja ehemalige Angestellte Gericht-Ideen ihrer Lehrmeister. Haubenkoch Toni Mörwald aber ist immer schon irgendwie eine Ausnahme gewesen. Da passt es ganz gut, dass Mörwald das etablierte System der gepflegten Kopie gekippt und seinem ehemaligen Mitarbeiter Christian Domschitz das Signature-Gericht geklaut hat. Konkret handelt es sich dabei um Domschitz’ Szegediner Hummerkrautfleisch. Bei Mörwald konnte man ebendieses Gericht in seinem Kochbuch „Koch Lust“ in Bild und Text bewundern. Selbstredend, dass Herr Domschitz als Schöpfer dieser Kreation unerwähnt blieb.
Robin Wickens
Die Gourmet-Journaille jubelte, als der junge Küchenchef Robin Wickens in Melbourne 2006 sein Restaurant Interlude eröffnete und ungewöhnlich komplexe Avantgarde auf den Teller brachte. Wickens Karriere endete allerdings abrupt, als Sam Mason, Wylie Dufresnes Pâtissier im WD-50, im Interlude einkehrte. Mason erkannte nicht nur Dufresnes Kreationen wieder, sondern auch minutiöse Kopien von Gerichten, die in José Andrés’ Minibar, Homaru Cantus Moto und Grant Achatz’ Alinea serviert wurden – dort hatte Wickens ein einwöchiges Praktikum absolviert und fleißig fotografiert und notiert. Die Plagiate waren so detailgetreu, dass selbst Achatz seine Bewunderung ausdrückte. Mister Wickens kocht heute übrigens in einer kleinen Straßenkantine in Victoria.