Jacky Mercier: Der Tomatenpate

Mit seinen Tomaten hat Jacky Mercier in den letzten Jahren die Pariser Gastroszene erobert. Wie der kompromisslose Gemüsebauer nach seinem Konkurs sein Erfolgsrezept fand – und was ein geheimnisvoller Sous Chef damit zu tun hat.
Januar 21, 2019 | Text: Lucas Palm | Fotos: Denys Clément

Er züchtet die besten Tomaten Frankreichs. Den großen Küchenchefs aus Paris lassen sie regelmäßig das Wasser im Mund zusammenlaufen: Alain Ducasse, Pascal Barbot, Sven Chartier, Jean Imbert, Inaki Aizpitarte – alle schwören sie auf „Jackys“ Tomaten. Selbst der Élysée-Palast unter Sarkozy und das französische Parlament brüsteten sich kulinarisch bereits mit den Liebesäpfeln von Jacky Mercier. Der 61-Jährige ist zwar seit Ende der 1970er-Jahren selbständiger Gemüsegärtner, doch erst seit rund 15 Jahren hat er seine wahre Leidenschaft – und damit sein Erfolgsrezept – entdeckt: den biologischen Anbau alter Tomatensorten im Freien. Bis heute, so Mercier, ist er in Frankreich der einzige Gemüsebauer, der gänzlich ohne Gewächshaus auskommt. Der Weg dorthin ähnelt dem vieler Kleinbauern in Frankreich – mit dem Unterschied, dass sich bei Jacky Mercier alles noch mal zum Guten gewendet hat. Seine erste Gemüsezucht, die er von 1980 bis 1993 betrieb, musste Insolvenz anmelden, nachdem ihn die Marktpreise bis auf den letzten Cent ausgeblutet hatten. Mit 50 französischen Centimes das Kilo – in Euro umgerechnet also nicht einmal acht Cent –, konnte er den Aufwand und die Kosten für die 20 bis 30 Tonnen, die er jährlich lieferte, nicht mehr stemmen. Aber: „Es war während dieser Zeit, dass ich mich in die Tomate verliebt habe.“ Dass Mercier 2003 den Neuanfang wagte, ist daher umso beeindruckender. Mercier wusste: Um nicht in denselben Teufelskreis zu rutschen, musste er einen anderen Weg einschlagen. So setzte der gelernte Gemüsebauer alles auf die biologische Landwirtschaft und spezialisierte sich auf alte Sorten. Dabei befolgte er den Rat eines Freundes, der ihm empfahl, sich den farbigen unter den alten Tomatensorten zu widmen. „Als ich dann die ersten Male mit meinen Tomaten auf den Markt nach Poitiers ging, haben meine Kollegen natürlich gelacht. Sie sahen diese gelben Tomaten, die grünen, die schwarzen … Aber den Kunden verging das spöttische Lachen schnell, sobald sie meine Tomaten probierten. Das war der Wahnsinn.“csm_rp232-tomatenpate-header_914f8b1b8d

Er züchtet die besten Tomaten Frankreichs. Den großen Küchenchefs aus Paris lassen sie regelmäßig das Wasser im Mund zusammenlaufen: Alain Ducasse, Pascal Barbot, Sven Chartier, Jean Imbert, Inaki Aizpitarte – alle schwören sie auf „Jackys“ Tomaten. Selbst der Élysée-Palast unter Sarkozy und das französische Parlament brüsteten sich kulinarisch bereits mit den Liebesäpfeln von Jacky Mercier. Der 61-Jährige ist zwar seit Ende der 1970er-Jahren selbständiger Gemüsegärtner, doch erst seit rund 15 Jahren hat er seine wahre Leidenschaft – und damit sein Erfolgsrezept – entdeckt: den biologischen Anbau alter Tomatensorten im Freien. Bis heute, so Mercier, ist er in Frankreich der einzige Gemüsebauer, der gänzlich ohne Gewächshaus auskommt. Der Weg dorthin ähnelt dem vieler Kleinbauern in Frankreich – mit dem Unterschied, dass sich bei Jacky Mercier alles noch mal zum Guten gewendet hat. Seine erste Gemüsezucht, die er von 1980 bis 1993 betrieb, musste Insolvenz anmelden, nachdem ihn die Marktpreise bis auf den letzten Cent ausgeblutet hatten. Mit 50 französischen Centimes das Kilo – in Euro umgerechnet also nicht einmal acht Cent –, konnte er den Aufwand und die Kosten für die 20 bis 30 Tonnen, die er jährlich lieferte, nicht mehr stemmen. Aber: „Es war während dieser Zeit, dass ich mich in die Tomate verliebt habe.“ Dass Mercier 2003 den Neuanfang wagte, ist daher umso beeindruckender. Mercier wusste: Um nicht in denselben Teufelskreis zu rutschen, musste er einen anderen Weg einschlagen. So setzte der gelernte Gemüsebauer alles auf die biologische Landwirtschaft und spezialisierte sich auf alte Sorten. Dabei befolgte er den Rat eines Freundes, der ihm empfahl, sich den farbigen unter den alten Tomatensorten zu widmen. „Als ich dann die ersten Male mit meinen Tomaten auf den Markt nach Poitiers ging, haben meine Kollegen natürlich gelacht. Sie sahen diese gelben Tomaten, die grünen, die schwarzen … Aber den Kunden verging das spöttische Lachen schnell, sobald sie meine Tomaten probierten. Das war der Wahnsinn.“
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Seit 2009 bringt Jacky Mercier die französische Provinz auf die Pariser Teller und hat dort den Geschmack der Tomate geradezu neu definiert.

Der ominöse Souschef

Auf dem Markt wurde Mercier von einem Souschef – an dessen Namen er sich nicht erinnern kann – des damaligen Sternerestaurants Château de Marçay angesprochen. Von Merciers Tomaten begeistert, fädelte dieser ominöse Souschef ein, dass die Tomaten im Château de Marçay in Form eines Gerichts mit dem Namen „Die Tomaten des Jacky Mercier“ präsentiert wurden. Durch einen anderen Zulieferer des Château de Marçay erfuhr schließlich ein neu gegründetes Pariser Unternehmen namens Terroires d’Avenir, das damit begonnen hatte, namhafte Restaurants in Paris mit Produkten aus kleinen Landwirtschaftsbetrieben zu beliefern, von Merciers Ausnahmeprodukt. Im Juli 2009 dann machten sich Merciers Tomaten zum ersten Mal in seinem kleinen Citroën C15 auf den Weg nach Paris.

150 Kilogramm pro Woche, so lautete für den Anfang der Deal. Doch bereits einige Wochen später war klar: Merciers Tomaten verkaufen sich wie warme Semmeln. Und das ausgerechnet vor einer Bäckerei, vor der Terroires d’Avenir damals in guter alter Pariser Manier den Stand aufgeschlagen hatte. Auch das junge Unternehmen steckte damals noch in den Kinderschuhen. Anders als an den Namen des Souschefs kann sich Jacky Mercier an den Namen dieser Bäckerei im 11. Arrondissement genau erinnern: Du pain et des idées. Der Erfolg lag jenseits aller Erwartungen: „Ich schickte ihnen 80 Kisten zu je zweieinhalb Kilo. Pro Kiste 15 Euro. Das ist nicht teuer für Paris. In eineinhalb Stunden waren sie alle weg.“ Als Verkaufsknaller erwies sich die Sorte Fireworks, die durch ihre Farbsplitter an ein Feuerwerk erinnert. Mercier betont, dass seine Freiluft-Tomaten außerdem einen wesentlichen Unterschied aufweisen zu jenen, die in Gewächshäusern wachsen: „Sie sind viel robuster und haben mehr Haut als die aus dem Gewächshaus. Außerdem gibt es bei mir keine einzige hybride Sorte. Jede einzelne ist pur und echt.“

Hoher Besuch ist die Normalität

Natürlich birgt der freie Feldanbau auch gewisse Risiken. Merciers Tomaten sind wetterabhängig – Hagel kann also tödlich sein. Auch kann es passieren, dass Mercier plötzlich zu viele reife Tomaten auf einmal ernten muss. „Aber es ist eben das, was ihnen ihren einmaligen Geschmack gibt. Dieses Risiko ist es wert.“ Vor allem aber schwört Mercier auf wenig Wasser. Denn dadurch wird das Tomatenfleisch dicht, fest und unverfälscht. Das Klima in seinem idyllischen Wohnort Frontenay sur Dive liefert dafür ideale Bedingungen. Heute liefert Mercier gut 15 Tonnen im Jahr aus, aber viele seiner Kunden lassen es sich nicht nehmen, ab und zu persönlich bei ihm vorbeizuschauen. Vor Kurzem beispielsweise kamen die beiden Aushängeschilder der Pariser Bistronomie zu ihm: Yves Camdeborde aus dem Comptoir du Relais und Inaki Aizpitarte aus dem Einsterner Le Chateaubriand, aber auch Sven Chartier aus dem Einsterner Saturne verschlägt es regelmäßig zu ihm. Kein Wunder: Über 130 samenfeste – also pure – Tomatensorten wachsen bei Mercier, allein von der Ochsenherztomate besitzt er zehn. Jacky Merciers Rechnung ist aufgegangen. Mit seinen 61 Jahren, sagt er, habe er nicht mehr allzu viel vor. „Aber ein halber Hektar mehr pro Jahr, das liegt schon drin.“ Kein Zweifel: Merciers Tomaten werden noch lange nicht von den großen Pariser Küchen wegzudenken sein.
www.terroirs-avenir.fr

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