Der Regionalist
Josef Steffner trägt sein Herz auf der Zunge: Der Ausnahmekoch ist eines von Österreichs größten Talenten.
Es ist nicht einfach auf dem Dorf“, verrät Josef Steffner, der sich vor acht Jahren in Mauterndorf in der Ferienregion Lungau, irgendwo mitten in Österreich, selbständig machte. „Ich bin hier geboren und aufgewachsen. Ich wollte damals nur noch weg. Es war viel zu klein, viel zu ruhig.“
Weg hieß für den 36-Jährigen raus aus dem 1700-Seelen-Dorf, „wo der Hund begraben liegt“, in die Küchen von Spitzenköchen. Mit seinen Stationen im Restaurant Chrueg am Zürichsee bei Freddy Christandl, im Tristan in Puerto Portals auf Mallorca und im Hangar-7 bei Roland Trettl sammelte der junge Koch seine Erfahrungen mit Sternen, Hauben und Gabeln. „Besonders Freddy Christandl hat mich geprägt. Er hat damals alles abgewogen. Ich hab gedacht, er spinnt. Jeder Tropfen Sauce, jedes Löffelchen Gemüse. Er hat mir beigebracht, sehr genau und bewusst mit den Produkten umzugehen. Er war so genau und hat das auch von uns verlangt, nicht weil es sich der Betrieb nicht leisten konnte, sondern weil er dem Gemüse den Respekt entgegenbrachte, den es verdient. Das hat mich sehr beeindruckt. Auch den engen Kontakt zwischen Produzenten und dem Koch fand ich extrem spannend“, berichtet Steffner von den Eindrücken, die er in der Schweiz sammelte.
Er brachte die Techniken und Ideen zurück in seinen Heimatort, als er die Ruhe des Dorfes zu schätzen wusste: „Mit 27 bekam ich die Anfrage von Gerhard Gugg, dem damaligen Küchenchef des Mesnerhauses, in dem auch ich als Jungkoch gearbeitet hatte. Er fragte mich, ob ich das Lokal übernehmen möchte.“ Steffner sagte zu und eröffnete 2007 als Küchenchef das denkmalgeschützte Lokal gemeinsam mit seiner Frau Maria. Maria Steffner ist Restaurantleiterin des Mesnerhauses. Sie war selbst Köchin, schulte aber um, als sich das Paar für die Übernahme des Restaurants entschied. „So können wir das Haus in der Küche und im Service perfekt repräsentieren“, erklärt Steffner die Entscheidung seiner 36-jährigen Frau. „Die ersten zwei Jahre waren allerdings nicht so einfach, wie wir uns das vorgestellt haben. Wir fingen mit einem neuen Team und einer neuen Küchenlinie an. Jeder Schritt wird beobachtet, jedes Gericht kritisch betrachtet. Man kennt mich hier schon als kleinen Jungen. Ich habe oft gehört, dass wir es sowieso nicht schaffen. Nach zwei Jahren haben wir die Einheimischen, die Stammgäste und Reisenden davon überzeugt, dass wir es doch können. Ein weiteres Jahr später entschieden wir uns dazu, das Haus zu kaufen.“ Drei Hauben, 17 Gault-Millau-Punkte, 95 Punkte von Falstaff und ein Stern (Anm.: Seit 2010 bewertet Guide Michelin nicht mehr außerhalb von Wien und Salzburg) beweisen das Können der zwei Gastgeber ganz offiziell.
Küche und Kunst
Nicht nur die Küche, auch das Konzept des Mesnerhauses hat mit Steffner ein Revival erlebt. Das Mesnerhaus wurde durch Franz Fuiko, Koch des Jahres 1994, bekannt. Ende 1995 übernahm es der ehemalige Mitarbeiter Gerhard Gugg. Maria und Josef Steffner brachten in das alte geschichtsträchtige Haus neuen Charme und die Kunst. „Wir bieten zwei Künstlern im Jahr das Restaurant als Ausstellungsfläche an. Zurzeit stellt Andrea Strigl ihre Keramikskulpturen aus. Die Geweihe sind auch von ihr.“ Bisher waren es immer österreichische Künstler, die das Steffner-Paar über Stammgäste und Freunde kennenlernten. „Das Haus ist denkmalgeschützt. Deswegen sind wir an die Vorgaben des Landes gebunden. Durch die Kunst können wir dem Restaurant trotzdem alle sechs Monate einen neuen Anstrich verpassen.“ Auch im Delikatessenshop des Mesnerhauses hängen Skulputuren und Bilder der Künstler neben der selbst gemachten Steffner-Wurst und Spezialitäten aus der Region: „Hier verkaufen wir Produkte, mit denen wir auch arbeiten. Öle, Weine, Schnäpse, Marmelade, aromatisierte Salze. Eine weitere Einnahmequelle neben dem Restaurant und dem Shop sind Kochkurse in der Nebensaison.“
Wir essen zweimal am Tag gemeinsam, bevor der Service startet.
In der Küche ändert sich das Menü häufiger als die Kunst: Jeden Monat lässt sich der Koch neue Gerichte für die Karte einfallen. Steffner bereitet diese dann gemeinsam mit seinem Koch Josef Kellner in der kleinen Küche des Restaurants zu. „Inspiration finde ich in Büchern, Zeitschriften und Kochbüchern. Das Gefühl beim Kochen, das Herzblut, das man hineinsteckt, darauf kommt es an. Ich schaue meinen Kollegen gerne über die Schulter.“ Zuletzt schaute er Thorsten Probost, Küchenchef des Burg Vital Resorts in Oberlech, über ebendiese: „Zum achten Jahrestag des Mesnerhauses haben wir wie in jedem Jahr einen Gastkoch eingeladen. Diesmal hat Thorsten Probost für uns gekocht. Er brachte mir Balsampappelknospen mit. Ich habe sie probiert und gleich fließen die Ideen, zu was die würzigen Knospen passen. Ich experimentiere gerne.“ Mitschriften zu seinen Gerichten gibt es von Steffner wenige: „Du gibst ein Rezept drei Köchen und dreimal schmeckt es anders. Deshalb kochen wir oft ohne Rezeptur. Es ist das Gefühl, das das Gericht zu etwas Besonderem macht. Deswegen schmeckt’s mir auch so gut bei meiner Schwiegermutter. Bei Sterne- oder Haubenköchen isst man immer ausgezeichnet, aber das Wichtigere sind das Gefühl und der Service. Maria und ich waren in unseren Betriebsferien im Mai bei Kobe Desramaults im Restaurant In de Wulf essen. Da spürt man die Harmonie zwischen Küche und Service. Es ist nicht das Interieur oder Silberbesteck, das zählt.“
Am Miteinander im Mesnerhaus arbeiten Maria und Josef Steffner jeden Tag. Um elf Uhr und am Abend um 17.30 Uhr isst das Team, bestehend aus den zwei Josefs in der Küche, Maria und ihrer Serviceunterstützung Rene Rahlfs, gemeinsam. „Mir ist oft aufgefallen, dass in der Spitzengastronomie die eigene Esskultur verloren geht. Sie geben 150 Prozent, um gutes Essen zu servieren, und essen selbst nicht. Deswegen essen wir gemeinsam.“ Den engen Kontakt zwischen seinen Mitarbeitern, aber auch zu den Produzenten bemerkt jeder Gast auf dem Teller und im Glas. „Meine Frau kennt viele Winzer. Wir bestellen direkt bei ihnen und nicht über den Handel. So unterstützen wir die kleinen Produzenten. Das ist Motivation für den Winzer und für uns, weil wir etwas anderes anbieten als die anderen Gasthäuser.“ Aus Mangel an großen Alternativen hat sich der Haubenkoch auf die Region und ihre Bauern spezialisiert. „Unsere Fische bekommen wir von einem 77-jährigen Hobby-Fischer, der die Tiere beim Namen nennt“, lacht Steffner. „Manchmal muss ich helfen, sie zu fangen. Andere Großkunden nimmt er keine mehr. Wir haben das Glück, dass er seit 33 Jahren das Mesnerhaus beliefert. Der Teich ist mit klarem, kaltem Bergwasser gefüllt. Die Fische wachsen sehr langsam und ihr Fleisch ist sehr fest“, schwärmt Steffner, der selbst im Wald beim Pilzesammeln seine Ruhe und frische Luft neben dem heißen Küchenalltag findet. Auch wenn Steffner die Ruhe, die Eigenwilligkeit der Stammgäste und die neue, alte Umgebung mit den vielen kleinen Produzenten schon lange zu schätzen weiß, braucht er Abstand in den Betriebsferien. Man hat erst Freude an seiner Heimat, wenn man weiß, wie es in der Ferne ist.
www.mesnerhaus.at