Japans kulinarische Wunderwaffe: Koji
So sieht sie also aus, die kulinarische Revolution, von der alle sprechen: Ein paar Plastikbeutel mit braunem Pulver, die nebeneinander auf einem Tisch liegen. Ob es sich bei dieser so synthetisch wirkenden Materie tatsächlich um das handelt, wovon derzeit die halbe Kochwelt spricht? Tatsächlich sieht Koji, jener Edelschimmelpilz aus Japan, der irgendwie überall Umami reinbringt, so unscheinbar aus. Oder zumindest die Sporen, die am Ende einen Pilz erwachsen lassen, dessen Wirkung jeden Gourmet vom Sessel fetzt. Wenn man weiß, wie man diese auch wirklich aktiviert.
So sieht sie also aus, die kulinarische Revolution, von der alle sprechen: Ein paar Plastikbeutel mit braunem Pulver, die nebeneinander auf einem Tisch liegen. Ob es sich bei dieser so synthetisch wirkenden Materie tatsächlich um das handelt, wovon derzeit die halbe Kochwelt spricht? Tatsächlich sieht Koji, jener Edelschimmelpilz aus Japan, der irgendwie überall Umami reinbringt, so unscheinbar aus. Oder zumindest die Sporen, die am Ende einen Pilz erwachsen lassen, dessen Wirkung jeden Gourmet vom Sessel fetzt. Wenn man weiß, wie man diese auch wirklich aktiviert.
Einer, der sich genau auf diese sensible Behandlung der in unseren Breiten exotischen Kojiwelt spezialisiert hat, ist Lukas Nagl. Wir befinden uns im Gewerbepark Ader in Timelkam, einem nicht gerade charmanten Industriekomplex in Oberösterreich. Denn: Der Gault&Millau-
Koch des Jahres 2023 braucht Platz. Und zwar möglichst nahe seiner primären Wirkungsstätte gelegen, dem rund 30 Minuten entfernten Restaurant Bootshaus in Traunkirchen.
Dort hat er sich mit seiner durchdachten Küche, die Süßwasserfischaromen mit japanischen Einflüssen verbindet, in den vergangenen Jahren eine schier unüberschaubare Zahl an Auszeichnungen erkocht – und eine Obsession entwickelt: die japanische Fermentationskultur. Und viele der bekanntesten Fermentationserzeugnisse Japans brauchen ihn eben, diesen Koji-Pilz, und der braucht eben die einzelnen Koji-Sporen. Und genau hier fängt es schon an mit den Details.
Denn: Es gibt unglaublich viele unterschiedliche und sie alle haben ganz individuelle Eigenschaften. Das bedeutet: Manche eignen sich für Sojabohnen besser als andere, und einige wiederum besser für Reis oder Gerste. Genau das perfektioniert er, der hauptberufliche Haubenkoch, zusammen mit zwei Weggefährten, die mindestens genauso schimmelversessen sind wie er selbst. Viktor Gruber und Christine Brameshuber bilden mit Lukas Nagl das Trio, das 2019 das Luvi-Ferment gegründet hat – und damit einen Nerv der Zeit traf: nämlich die Herstellung natürlich fermentierter Lebensmittel aus Produkten der Region mit ganz, ganz viel Umami. Denn genau das ist sie, die Stärke des Koji-Pilzes: Kein anderer Edelschimmel schafft es, die vielzitierte „fünfte Geschmacksrichtung“, als die Umami gilt, komplexer in ein Grundprodukt zu bringen.
„Die Fähigkeit von Koji, Aromen zu intensivieren und neue Geschmackstiefen zu schaffen, macht ihn einmalig.“
Und ein Blick in die Produktionshalle des Trios genügt, um festzustellen: Hier sind Profis am Werk. Mehrere Behälter stehen da, eine Presse, eine Dampfmaschine, auch eine futuristisch anmutende „Wärmekammer“, wie Lukas Nagl sie nennt. „Wir gehen da gleich rein, dort geht’s eh schon ziemlich ab“, sagt er. Doch zuerst werfen wir einen genaueren Blick auf die Plastikbeutel, die auf dem Tisch im Eingangsbereich liegen.
Mit Überdruck zu den Sporen
„Sake Koji Spores“ steht da auf einem der Beutel. „Soy Sauce Koji Spores“ auf einem anderen, genauso „Barley Koji Spores“ oder „White“. So unterschiedlich diese Sporen auch heißen, sie haben eines gemeinsam: Sie stammen aus der Schimmelgattung namens Aspergillus – und werden aus Japan importiert. Zum einen, weil Koji-Lebensmittel in Japan eine jahrhundertealte Tradition haben, und zum anderen, weil die Koji-Produktion in Japan schlichtweg als beste und professionellste weltweit gilt.
„Es ist sogar in der japanischen Verfassung verankert, dass Koji der nationale Edelschimmel ist“, sagt Nagl. „In den Produktionshallen dort herrschen geradezu medizinische Laborverhältnisse. Da wird mit Überdrucksystem gearbeitet, also aus dem Labor kann Luft heraus, aber es kommt keine andere Luft herein“, so Nagl.
Aber wie werden solche Koji-Sporen produziert? In der Regel nach einer altbewährten Methode: Meist
wird Reis oder Gerste mit bereits bestehenden Sporen inokuliert, also geimpft. Die Bedingungen sind perfekt: Es ist warm und auch die Luftfeuchtigkeit genau geregelt. Normalerweise brauchen Koji-Sporen 40 Stunden, um sich zu entfalten. Aber in diesen Produktionsstätten lassen sie die Sporen zwei bis drei Mal so lange wachsen, damit sie in die Reproduktionsphase gehen. Das Übermaß an Sporen wird dann gewissermaßen geerntet. Und was damit gemacht werden kann, das zeigt Lukas Nagl nun in der Wärmekammer.
Mit ordentlich Schimmel durchgewischt
Hier haben die Koji-Sojasaucen-Sporen das Sagen, also die Sporen namens Aspergillus sojae. Das liegt auch daran, dass in dieser Kammer ideale Bedingungen für sie herrschen: Es ist warm und sehr, sehr feucht. Die Kammer besteht zum Großteil aus einer Wanne, die gefüllt ist mit etwas, das auf den ersten Blick wie feine Erde aussieht. „Das ist Kürbiskernpresskuchen, vermischt mit Weizen“, sagt Nagl. „Das ergibt unsere Kürbiskern Shoyu, also eine Sauce, die an Sojasauce erinnert, aber auf Basis von Kürbiskernen besteht. Eigentlich sollte jeder Koch in der Steiermark so etwas haben!“, so Nagl augenzwinkernd.
Vor rund 24 Stunden hat er das Sporenpulver über die Masse gestreut, „eingearbeitet und durchgewischt“, wie er sagt. „So dass es keine Stelle gibt, die nicht mit den Sporen in Berührung gekommen ist.“ Nagl greift in die Kürbiskern-Weizen-Erde, öffnet seine Hand: „Hier sieht man schon, dass sich erste kleine Klumpen bilden“, erklärt er. „Und man sieht auch eine feine, weiße Schicht, die sich darüberlegt. Das ist das Mycel, also die fadenförmigen Zellen vom Koji-Pilz. Morgen gegen Mittag, also nach gut 40 Stunden, kommt die Masse heraus und für mehrere Monate in eine Salzlake.“
Koji ist in Japan so wichtig, dass es sogar in der Verfassung verankert ist!
Lukas Nagl über die Wertigkeit der Koji-Herstellung in Japan
Diese Salzlake steckt in Behältern, die in der Produktionshalle verteilt stehen. Anschließend wird diese Salzlakemasse gepresst – und das wiederum ergibt die Flüssigkeit, die fast schon die fertige Kürbiskern Shoyu ist. Aber eben nur fast: Denn diese Flüssigkeit muss sich noch „settlen“. Heißt: runder werden. Und das wird sie, indem sie nochmals ein paar Monate in einem der Behälter liegt.
Das Ergebnis: Deutliche Kürbiskern-Röstnoten, die sich in ein scheinbar vertrautes Sojasaucen-Geschmacksbild einfügen. Etwas nussiger schmeckt sie auch, diese Kürbiskern Shoyu. Kein Zweifel: Hier handelt es sich um eine Umami-Bombe mit deutlicher Handschrift. Eine, die die Kunst des Kojis meisterhaft beherrscht – und dafür sorgen wird, dass er hierzulande weiter seine Fäden zieht. Zwar wohldosiert und gut versteckt in den an Komponenten reichen Gerichten der Top-Chefs, doch stets mit mächtig Mhmmm.